Ausgabe 04 - 2000berliner stadtzeitung
scheinschlag

Diese Ausgabe

Inhaltsverzeichnis


Zur Homepage

Rohkunst aus Mitte

Die ehemalige Siebdruckwerkstatt aus dem Obdachlosenprojekt "Klik" hat nun eigene Räume gefunden. Grund genug, mit neuen Ideen und Konzept an die Öffentlichkeit zu gehen.

Der Laden für Straßenkinder "Klik" in Mitte leistete nicht nur Beratung und praktische Hilfe, sondern versuchte mit seinen Angeboten an kreativer Arbeit eine sinnvolle Perspektive zu schaffen. Querelen mit dem Trägerverein, der eher ein klassisches sozialarbeiterisches Dienstleistungskonzept favorisierte und außerdem das Anliegen der Vor-Ort-Mitarbeiter, den Laden für ein breiteres Zielpublikum zu öffnen, ablehnte, führten zur Entlassung der Mitarbeiter und einer vorläufigen Schließung des Ladens.

Davon betroffen war auch die Siebdruckwerkstatt "Beatleprint", die als offene Werkstatt allen Interessierten die Möglichkeit bot, die Technik des Siebdruckens zu erlernen. Außerdem war es möglich, in den Räumen des "Klik" bei Austellungen seine Werke einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren.

Seit Anfang dieses Jahres nun hat "Beatleprint" ein neues Zuhause gefunden: Im ehemaligen Cityback-Gebäude an der Ecke Prenzlauer Allee/Saarbrücker Straße wurde eine Fabriketage angemietet. Diese Räume sind eventuell nur für kurze Zeit Heimstatt der Werkstatt. Ein Investor hat kürzlich den Gebäudekomplex aufgekauft und möchte ihn in ein Medienzentrum umbauen. Der derzeitige Mietvertrag geht bis Ende diesen Jahres, genug Zeit für die Menschen von "Beatleprint", mit neuen Ideen ihr Konzept zu erweitern.

Mit den neuen Räumen kam auch ein neuer Trägerverein ins Spiel. Die Siebdruckwerkstatt ist nun Teil des Obdachlosenprojektes "Unter Druck - Kultur von der Straße", das vor allem durch seine Kulturarbeit, insbeonders seine Theatergruppe, bekannt geworden ist. Außerdem tragen "Jessi unlimited", die vormals im ehemaligen besetzten Haus in der Jessnerstraße ihre Werkstatt hatten und auf professioneller Basis Plakate und Shirts bedruckten, als weitere Mitnutzerinnen der Siebdrucketage zur Erhöhung des Know-hows bei.

Diejenigen, für die das Projekt als Anlaufstelle gedacht ist, werden schwerpunktmäßig weiterhin kreative Menschen sein, die einen Bezug zur Lebenswelt Straße haben. Dennoch soll dies nicht bedeuten, dass man unmittelbar von Obdachlosigkeit betroffen sein muss, um die Werkstatt nutzen zu können. Das Projekt möchte raus aus dem Ghetto und einen offenen Austausch von Menschen mit verschiedensten Lebenssituationen und künstlerischem Ansatz.

Umsetzen möchten die Macher von "Beatleprint" dies zum einen durch einen offenen Betrieb, in dem, wie im "Klik" auch, das Basiswissen über die Drucktechnik an alle Interessierten vermittelt wird. Außerdem soll in Work-shops die Möglichkeit geschaffen werden, intensiver in die Materie einzusteigen - ein Angebot, das etwa für kleinere Arbeitsgruppen aus anderen Projekten oder Schulen interessant sein könnte.

Ergänzt werden soll dies durch eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit. Mit Ausstellungen und anderen künstlerischen Events wird der Kontakt nach außen hergestellt. Außerdem wird eine verstärkte Zusammenarbeit mit anderen Künstlern oder basisnahen Kunstprojekten gesucht.

Größtes Problem ist dabei, wie bei so vielen anderen Projekten auch, die Finanzierung. Eine Förderung durch öffentliche Gelder besteht zur Zeit nicht. Entsprechende Anträge wurden zwar gestellt, doch die Aussicht auf Erfolg ist ungewiss, und so muss sich "Beatleprint", zumindest bis in den Mühlen der Bürokratie eine Entscheidung gefallen ist, selbst bzw. durch Spenden finanzieren. Deshalb soll als drittes Standbein längerfristig ein gewerblicher Bereich aufgebaut werden, der etwa durch die Annahme von Auftragsarbeiten Geld für die Begleichung der nicht unbeträchtlichen Betriebs- und Materialkosten einbringen soll. Zusätzlich möchte "Beatleprint" als eine Art eigenes Label auch eigenen Produkte auf den Markt bringen.

Kommunikation zwischen verschiedensten (Sub)kulturen und ein lebendiger kreativer Austausch von Ideen und Aktivitäten soll Motor der Arbeit von "Beatleprint" sein. Ein Anliegen, das auch vor Nationalitätengrenzen nicht halt machen möchte. Eines der längerfristig geplanten Projekte soll eine Veranstaltungs- und Ausstellungsserie von derzeit in Mitte arbeitenden, ausländischen KünstlerInnen sein. Mensch darf neugierig sein, was sich in Zukunft noch so Spannendes um dieses Projekt herum entwickeln wird.
M.Philips
Siebdruckwerkstatt "Beatleprint" und "Jessi unlimited", Saarbrücker Straße 36-38, Aufgang A3, 4. Etage, fon 47 37 80 68
Offene Werkstatt Do. und Fr. 15-21 Uhr

© scheinschlag 2000
Inhalt dieser Ausgabe | Home | Aktuelle Ausgabe | Archiv | Sitemap | E-Mail

  Ausgabe 04 - 2000