Ausgabe 04 - 2000berliner stadtzeitung
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Berlin hat zuviel Polizei!

Am Donnerstag den 6. April fand auf dem Rosenthaler Platz in Mitte eine allgemeine Fahrradüberprüfung durch die Polizei statt. Dabei hielten die anwesenden zehn Polizeibeamten alle Fahrradfahrer an, die in den Weinbergsweg einbogen und überprüften die Rahmennummer. Gab´ s eine war´ s gut und nach einem kleinen Plausch über technische Details durften die so Aufgehaltenen ihres Weges fahren. Aber der Nachmittag durfte scheinbar nicht ergebnislos vorübergehen, wie anders wäre sonst zu erklären, was der Mutter zweier Kleinkinder widerfuhr. Die Kontrolle ihres ziemlich alten und dreimal selbst gestrichenen Fahrrades ergab keine lesbare Rahmennummer. Der Beamte schlußfolgerte: die Nummer wurde vorsätzlich entfernt und konfiszierte das Rad. Der ziemlich erbosten jungen Mutter verging die Höflichkeit, sie hatte es eilig, ihre kleinen Kinder aus dem Kindergarten abzuholen. Daraus wurde nun erst mal nichts. Trotz ihrer Proteste und die der zahlreichen Passanten, wurden ihr tatsächlich die Kindersitze vom Rad abmontiert, alle Angaben schriftlich fixiert und in Aussicht gestellt, wenn sie denn beweisen könne, dass sie das Rad legal erworben hat, könne sie das auf dem Revier belegen. Frage: Was aber passiert, wenn sie das nicht beweisen kann? Behält die Polizei das Rad? Denn versteigern darf sie es doch wohl nicht, da die Herkunft ja unbekannt ist. Oder ist Hehlerei durch den Staat üblich? Na hoffentlich! Einer Mutter ist in dieser so kinderfreundlichen Stadt das Leben noch ein bißchen schwerer gemacht worden. Dass mitfünfziger Männer sich nicht vorstellen können, wie Frau zwei Kleinkinder und zwei Fahrradkindersitze durchs Feierabendgewirr nach Hause bringt, ist mir schon klar. Schließlich muß ja hier streng nach, - Entschuldigung auf welcher Grundlage, sie haben das wohl vergessen zu sagen -, ein klappriges altes Fahrrad eingezogen werden. Wie die Frau mit den Gören nach Hause kommt, ist doch nicht unser Problem! In der Haut der anwesenden Polizistinnen hätte ich nicht stecken mögen.

Wenn unter den kontrollierten Rädern mit Nummern, 90 Prozent gestohlenen waren, hat es auch keiner gemerkt. Woran auch, an der Rahmennummer jedenfalls nicht. Weiß man doch, dass die professionell Geklauten in eine andere Stadt transportiert und dort weiterverkauft werden. Mir wurde natürlich auch schon mal ein Fahrrad geklaut, aber ich hatte nie die Illusion, das durch die Polizei wiederzukriegen. Das riecht doch hier verdammt nach Rechtfertigungstätigkeiten für zuviel Polizei.
Christine Schmidt

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