Ausgabe 04 - 2000berliner stadtzeitung
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Monolog - Monomanie
Aus dem Programm des Wiener Deuticke Verlags

Wer meint, die Tirade als literarische Gattung, die Übertreibung als ästhetische Kategorie sei mit Thomas Bernhards Tod aus der deutschsprachigen Literatur verschwunden, der kennt Werner Kofler nicht. Der 1947 in Kärnten geborene Schriftsteller ist ein legitimer Nachfahre Bernhards. Koflers Pamphlete aber sind derart ins Groteske übersteigert, daß sie - anders als bei Bernhard - niemand mehr als kritischen Kommentar zur Lage Österreichs und der Welt mißverstehen wird. Kofler betreibt ein furioses Spiel, in dessen Strudel so gut wie alles hineingezogen werden kann. Die adäquate Form für diese Art des literarischen Sprechens ist der Monolog. Der Titel von Koflers 90-seitigem Prosatext, Manker Invention spielt auf den Schauspieler Paulus Manker an, der ein Hörspiel des Autors realisiert hat. Das Ergebnis mit seinem Manuskript vergleichend ist Kofler chociert und steigert sich in eine wütende Suada hinein: "Nein, Manker, nicht so." Von der Kritik am Hörspiel abschweifend werden in dem Text dann die absurdesten Geschichten und Phantasien ausgebreitet: Von einer Geschlechts-umwandlung in Johannesburg ist die Rede, bei der aus einem Sigurd angeblich eine Sigrid Löffler wurde, davon, "WIE DER STAATSOPERNDIREKTOR HOLENDER VOR LANGER ZEIT MEINEN SCHULKAMERADEN PIRKER PAUL ZUR UNZUCHT WIDER DIE NATUR VERFÜHREN WOLLTE", Afghanistan wird als Drehort für eine Wörthersee-Filmproduktion phantasiert: "Udo Jürgens, der wahrscheinlich für Harald Juhnke als Gaudibursch vom Hindukusch würde einspringen müssen, könnte sein erstes Konzert in Kabul geben, und die Taliban-Buben würden ihm aus Dankbarkeit einen blasen, einen Marsch, einen Grenadiermarsch blasen, daß ihm Hören und Singen verginge. Oh, daß der erste ihm schon die Eichel abbisse und sie voll Verachtung in den Sand spuckte!" Nein, Kofler, so nicht.

In der neuen Paperback-Reihe "LeseZeichen", auf deren Umschlägen unschön ein Lesezeichen klebt, ist jetzt auch Werner Koflers erstmals 1978 bei Wagenbach in Berlin erschienene Ida H. wiederaufgelegt worden. "Eine Krankengeschichte" ist der Untertitel und das Buch beginnt "Am Steinhof", in der Wiener psychiatrischen Klinik, die ein Epizentrum der österreichischen Literatur darstellt. Eine Neuerscheinung in der "LeseZeichen"- Reihe ist Helmut Eisendles Lauf, Alter, die Welt ist hinter dir her. Auch der 1939 geborene Eisendle, der nach einigen Jahren in Berlin seit 1993 wieder in Wien ansässig ist, steht mit diesem Buch in einer genuin österreichischen Tradition, einem Schreiben, das maßgeblich von der (Sprach)Philosophie beeinflußt ist. Ein Motto von Fritz Mauthner weist den Weg und natürlich ist auch Wittgenstein in dem Text präsent. "Ein Mann steigt auf einen Berg" - der erste Satz gibt den Rahmen für diesen Monolog vor. Die Gebirgslandschaft regt den alternden Bergsteiger zu einer Fülle von Assoziationen und philosophischen Gedankenspielen an. Teils sind diese durchaus subtil, teils bloß die üblichen Stereotypen über die Vergänglichkeit angesichts der Natur. Beschaulich wird es bei Eisendle jedoch nie. "Die Natur gibt es, weil es eine Sprache über sie gibt", heißt es unmißverständlich. "Als Ganzes betrachtet, scheint alles in Ruhe, in einer Ordnung befangen zu sein. Jedes Detail aber ist unsicher und in Gefahr" - so erfährt der unruhige Wanderer die Welt. Am Ende steht Ernüchterung: "Es ist eine Tatsache, daß ich auf diesen verdammten Berg gestiegen bin. Und?"
Florian Neuner

Werner Kofler: Manker. Invention. Deuticke Verlag, Wien 1999. DM 19.80
Werner Kofler: Ida H. Eine Krankengeschichte. Deuticke Verlag, Wien 2000. DM 27
Helmut Eisendle: Lauf, Alter, die Welt ist hinter dir her. Deuticke Verlag, Wien 2000. DM 27

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