Ausgabe 04 - 2000berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Faustkeilsplitter ?

"Grrrrrr ... Waff! Waffwaffwaff!!! - Piiiep." Es ist nicht einfach, mit meiner neuen Hausverwaltung zu sprechen. Wenn ich anrufe, schlägt sofort der Anrufbeantworter an, und der Verwalter bellt wie auf dem platten Land die Kettenhunde. Ich werfe ein paar beruhigende Wortwürstchen aufs Band, und dann lege ich auf. Und atme tief durch. Dann versuch ich´s noch einmal, aber jetzt hab ich Pech: Diesmal ist der Hausverwalter selbst dran. Er kündigt seinen Besuch an. Ich hatte ihn vor die Wahl gestellt, mich entweder von ihm besuchen zu lassen oder von der Bauaufsicht, und da hat er kurzerhand und aus freien Stücken, dass das mal klar ist, nicht dass hier auch nur der Anschein eines Eindrucks aufkommt, mein Verwalter beuge sich irgendwelchem Druck - ich wiederhole: Weil ihm einfach danach waaar, hat er gesagt: "Ich komme Donnerstag früh um sieben. Und Sie sind auch da, verstanden!"

Am Montag kauf ich mir was Hübsches zum Anziehn, am Dienstag geh ich zum Friseur, am Mittwoch besuch ich einen Kumpel mit Badewanne, um mich zu wässern, zu polieren und zu ölen, und Donnerstag früh postier ich mich in der offenen Wohnungstür. Wäre die Lampe im Treppenhaus nicht Anfang ´45 noch kaputt gegangen, ich würde glatt "Lili Marleen" pfeifen.

Ein Schatten stapft an mir vorbei nach oben. Ich rufe: "He, Herr Arsch!" Natürlich heißt mein Hausverwalter nicht in Wirklichkeit "Herr Arsch", aber wegen dem Persönlichkeitsschutz hab ich einfach irgend ein Pseudonym aus dem Telefonbuch herausgesucht.

"He, Herr Arsch! Hier bin ich!"

Herr Arsch stapft wieder die Treppe runter. "Aber, das da" - er zeigt in meine Wohnungstür - "das ist doch das Außenklo." Und weil er sich nicht auskennt hier, tritt er vor meiner Wohnungstür just auf das lose Dielenbrett, das er nicht reparieren will. Noch während er sich am einen Ende des Brettes den Fuß verknackst, KNACK!, schießt das andre Ende nach oben und küsst ungestüm die Stirn vom Arsch. ZONK! So´n Pech auch. Er kippt zur Seite, mit dem Kopf gegen die Wand. BUMS! Und bleibt benommen am Boden liegen. Na, wenigstens geht jetzt das Licht wieder.

Nein, Herr Arsch, das ist nicht das Außenklo, das ist die Wohnung, die Sie mir für eine Million Mark im Monat vermietet haben. Schaun Sie mal: Hier ist ein großes Brandloch auf dem Küchenboden. Vermutlich eine Feuerstelle von den allerersten Bewohnern. Schaun Sie mal genau hin, sind da nicht sogar noch ein paar Faustkeilsplitter?

*

Und mit einem Mal steht mir die tiefste Ursache meiner ganzen leidigen Lage ganz klar vor Augen. Herr Arsch, im Lendenschurz. Cro-Magnon-Arsch. Er droht mit einem Mammutzahn. Will mich vom Feuer vertreiben. Ich raste aus. Stürze mich auf ihn. Immer will er mich vom Feuer vertreiben! Schnitt. Ich sitze am Feuer, am Grillstock stecken zwei Ohren. Das riecht lecker. Hinter mir hängt Herr Arsch im Baum. Arsch ohne Ohren. Die Füße nach oben, nackt. In seinem Po steckt eine übel zugerichtete Banane. Zeichen größter Demütigung. Herr Arsch wimmert. Fleht um Vergebung. Nix da, wir sind hier in der Altsteinzeit! Mhm, das schmeckt gut. Geröstete Ohren. Wer nicht hören will, muss fühlen.

*

Und deshalb muss ich heute Herrn Arsch ertragen. Weil ich damals so gemein zu ihm war. Ich finde, das war der Spaß wirklich wert. Alles bekommt einen wundervollen, edleren Sinn.

Ich verbinde Herrn Arsch die Wunden. Und klebe kleine gelbe Merkzettel auf jedes Blutgerinnsel: "Küchenboden" steht auf der Schulter, "Stromleitungen" auf der Stirn, "Ofen" am Knöchel. Ich säusle: Hallo, Herr Arsch! Aufsteeehn! Schiebe ihn zur Tür hinaus. Achtung, das Brett! Knack. Zonk. Bums. Mist, jetzt ist das Licht wieder kaputt.
Bov Bjerg

Jetzt wieder im "Mittwochsfazit". Bjerg, Evers, Maurenbrecher. Jeden Mittwoch 21 Uhr. Neuer Schlot, Chausseestr. 18

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