Ausgabe 03 - 2000berliner stadtzeitung
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Hundert Mark Future-Kapital

Natürlich kann man sein Geld zu Infineon, Plasmaselect oder Dot.Com an die Börse tragen. Zu Herlitz im Moment besser nicht. Das persönliche Glücksgefühl der Geldvermehrung bescheren dann die Aktienkurven tagtäglich. Ach was, das Glück ist in Sekunden abzulesen. Langfristig wandeln die Unternehmen das minimalistische abstrakte Zackenprofil in ansprechende bunte Bilder um. Mit der Aktie im Safe schreitet man dann durch die Kunstsammlung der Deutschen Bank. Irgendwann ist noch jeder Vorstand reif für die Kultur geworden. Voll im Trend hat sich die Telekom in den neunziger Jahre auf einen Schlag eine Sammlung "Kunst der sechziger Jahre" hinzugekauft. Artconsulting beauftragen, Geld investieren - und schon breitet sich die Kultur allumfassend im Unternehmen aus.

Aber seien wir ehrlich: Die wahren Abenteuer mit vollem Risiko spielen sich ganz woanders ab. Ein stetig steigender Dax ist doch ein Omma-Spiel! Nehmen wir, rein zufällig, mal das ACUD, jenes berühmte Haus in der Veteranenstraße 21. Ganz im Trend des anbrechenden Jahrtausends ist das Unternehmen zwischen Alteigentümer, Makler, kreativer Geschäftsführung und zukunftsweisender Wirtschaftsstrategie als Kulturprojekt angesiedelt. Deren ausgereiftes Finanzierungskonzept nötigt nun selbst alten Hasen der Kreditwirtschaft Respekt ab: 300 000 Mark sollen allein durch Spenden aufgetrieben werden. Um keinem langweiligen Großkapitalisten in die Hände zu fallen, ist die Akquisition in überschaubare Häppchen aufgeteilt: 3000 mal 100 Mark werden gesucht. Über 30 000 Mark risikofreudiges Kapital hat sich schon eingefunden. Für 100 Mark Einsatz werden viele später sagen können, "Wir waren von Anfang an dabei! Kultur war die echte Investition!". Wer es sogar noch eine Nummer härter möchte, kann als Anteilseigner bei der ACUD GmbH & Co.KG für 1000 Mark einsteigen. Solche Leute schlafen beim Dax geradezu ein.

Um die Finanztransaktionen so leicht wie möglich zu machen, hat das ACUD sich entschlossen, einen völlig neuen Weg zu gehen: Keine schwarzen Koffer werden im Umlauf sein, sondern Kontonummer und öffentliche Bekanntgabe der Spendernamen lautet die Devise. Michael Gwisdek, Klaus Staeck, Mo Asumang, Peter Wawerzinek, Knut Elstermann, Jochen Sandig, Christa Luft, Peter Kahane, Tom Tykwer, Petra Bläss, Stefan Otteni... Alle haben auf das treuhänderische Spendenkonto eingezahlt: P.S.P. GmbH, Berliner Bank, BLZ 100 200 00, Kto. 633 571 51 04, Kennwort ACUD.

Falls jetzt ein paar Zögerlinge doch noch weitere Sicherheiten brauchen: Annett Gröschner erzählt die Geschichte zum ACUD und der Veteranenstraße 21 in dieser Ausgabe.
R.L.

P.S. Am 1. April findet eine Kunstauktion zur Rettung des ACUD statt. Kunstwerke als Spenden werden noch entgegengenommen. Als Auktionator tritt Peter Wawerzinek an. Ort: im Hof des ACUD, Veteranenstr. 21, 16 Uhr (fon 449 10 67)

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