Ausgabe 03 - 2000berliner stadtzeitung
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Täter, Opfer, Polizei

"Otomo" von Frieder Schlaich

Als Opfer von Gewalttaten sind Asylbewerber in deutschen Zeitungen fast so zur alltäglichen Gewohnheit geworden, wie der Wetterbericht. In der Rolle des Täters tauchen sie hingegen nur selten auf.

Der nordafrikanische Asylbewerber Frédéric Otomo wurde am 8. August 1989 um sechs Uhr morgens in einer Stuttgarter Strassenbahn zu Unrecht des Schwarzfahrens beschuldigt und floh nach einem Faustschlag in das Gesicht des Kontrolleurs. Drei Stunden später erstach er bei seiner Festnahme zwei Polizisten, bevor er von einem der drei weiteren von ihm verletzten Beamten erschossen wurde. Was in der Zwischenzeit geschehen sein könnte, erzählt Frieder Schlaich in seinem Film.

Als Personal dienen ihm dazu, neben Otomo (Isaach de Bankolé), ein holländischer LKW-Fahrer, der für 400 Mark - die Otomo nicht hat - bereit wäre, ihn über die Grenze zu schmuggeln, eine alternde Menschenfreundin (Eva Mattes) mit kindlicher Enkelin sowie zwei vom Jagdfieber gepackte Polizisten.

Die wohltuend unspektakuläre Inszenierung vermeidet jede Schuldzuweisung, erinnert aber in ihrer spröden Sachlichkeit trotz der engagierten Darsteller zuweilen unfreiwillig an die Fahndungsfilme von "Aktenzeichen XY ungelöst". Was bleibt, ist die Frage, wie weit der ausländerfreundliche deutsche Bürger bereit ist, die Opfer der Weltenteilung als Täter zu akzeptieren. Die Stuttgarter Bevölkerung war es seinerzeit nicht, und dankte Oberbürgermeister Rommel den toleranzmahnenden Satz "Es hätte auch ein Schwabe sein können" mit wütenden Verteidigungen der süddeutschen Landesehre.

go

Kinostart: 16. März im Eiszeit

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