Ausgabe 02 - 2000berliner stadtzeitung
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Flüchtlinge protestieren gegen drohende Abschiebung

Kriegsflüchtlinge aus Ex-Jugoslawien fühlen sich von Berliner Sozialämtern unter Druck gesetzt

"Zweimal hat Deutschland im letzten Jahrhundert Krieg gegen mein Heimatland Jugoslawien geführt. Ich bin im letzten Jahr vor den Bomben mit meiner Familie nach Berlin geflohen. Jetzt sollen wir hier rausgeworfen werden wie ein toter Hund." Die Stimme des ca. 45-Jährigen Mann wurde vor Aufregung ganz schrill. So wie er protestierten am 12. Februar über 80 in Berlin lebende Kriegsflüchtlinge aus Ex-Jugoslawien gemeinsam mit ihren UnterstützerInnen vom «Berliner Bündnis gegen das AsylbewerberInnenleistungsgesetz´ auf dem Alexanderplatz gegen ihre drohende Abschiebung. Nach den Vorgaben des Bundesinnenministers Otto Schily sollen die ca. 18 000 in Deutschland lebende Kriegsflüchtlinge aus Ex-Jugoslawien ab März 2000 in ihre Heimat geschafft werden. Auf den Minister sind die Flüchtlinge überhaupt nicht gut zu sprechen "Schily macht Haiders Träume wahr" heißt es auf einem von zwei jungen Flüchtlingen getragenen Transparent. "Der Mann vom Sozialamt sagt zu mir, ich soll ins Kosovo zurück gehen. Doch mein Haus ist total zerstört. Wo soll ich also hin?" fragte der junge Albaner verzweifelt.

Die Berliner Behörden geraten bei der Umsetzung der Vorgaben des Innenministers zunehmend in die Kritik der Flüchtlinge und ihrer UnterstützerInnen. "Um größere Massenabschiebungen möglichst zu vermeiden, wollen die Ämter durch Druck die freiwillige Rückkehr der Flüchtlinge erreichen."; erklärte Ulrike Schmidt vom Bündnis gegen das AsylbewerberInnenleistungsgesetz. So wird den Betroffenen mit völliger Streichung ihrer finanziellen Unterstützung gedroht, wenn sie ihre Unterschrift nicht unter Formblätter setzen, in denen sie sich zur freiwilligen Rückkehr und zur Rücknahme ihrer Asylanträge und sämtlicher gegen die Behörden anhängigen Klagen bereit erklären. "Bei einer Rückkehr in mein Land besteht keinerlei Gefahr für meine Freiheit und mein Leben gemäß Paragraph 51 Ausländergesetz (AuslG)" lautet ein Passus in dem Formblatt, den die FlüchtlingsunterstützerInnen angesichts der aktuellen Situation auf dem Balkan für besonders infam halten. "Damit wollen sich die Behörden nur von möglichen Konsequenzen schützen, wenn den Flüchtlingen doch etwas passiert."

Eine Gruppe von Kriegsflüchtlingen verstärkte in einer öffentlichen Erklärung die Kritik an den Behörden noch. "Von den Berliner Sozialämtern sind wir unter Drohungen genötigt worden, Papiere zu unterschreiben, die wir nicht richtig verstanden haben, in denen uns Worte in den Mund gelegt wurden, die wir nicht gesagt oder gemeint haben. Uns wurde unterstellt, wir seien wegen der Sozialhilfe eingereist", heißt es dort. Auf der Protestkundgebung erklärte die Flüchtlingsgruppe sämtliche Unterschriften für ungültig und verbrannten alle von ihnen unterzeichneten Dokumente auf dem Alexanderplatz.

"Wenn sie uns schon rausschmeißen wollen, sollen sie nicht noch auf unsere Zustimmung bauen", erklärte ein Betroffener.
Peter Nowak

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