Ausgabe 02 - 2000berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Der will nur spielen...

Nach dem tödlichen Vorfall am Boxhagener Platz sind Maßnahmen gegen unverantwortliche Hundehalter gefragt

Mit erschreckender Regelmäßigkeit kommt es in der "Hundehauptstadt" zu Vorfällen, bei denen Menschen durch einen Hund zu Schaden kommen.

Besondere Aufmerksamkeit erregte der Tod eines Kindes in Friedrichshain, das auf der Flucht vor einem Dobermann auf die Straße lief und von einem LKW tödlich verletzt wurde.

Der sechsjährige Steven war auf dem Weg von der Schule nach Hause. Unmittelbar vor dem Miethaus, in dem er mit seinen Eltern lebte, sprang ihn ein Dobermann an. Voller Panik floh er auf die Straße und rannte vor einen LKW, der nicht mehr rechtzeitig zum Stehen kam und Steven überfuhr.

Aufgrund der Zeugenausagen kam die Polizei zu dem Schluß, daß es sich bei dem Vorfall nicht um die Attacke eines "gefährlichen Hundes" im Sinne der Berliner Hundeverordnung* handelte. Vielmehr scheint es sich um einen noch relativ jungen Dobermann gehandelt zu haben, der mit dem Jungen spielen wollte. Weder verhinderte die Hundehalterin das Anspringen noch kümmerte sie sich in irgend einer Form um den tödlich verletzten Steven. Vielmehr entfernte sie sich mit dem Hund eilig vom Unfallort.

Trotz eines enormen Fahndungsaufwandes und der Aussetzung einer Belohnung von 2000 Mark gelang es der Polizei nicht, die Hundehalterin ausfindig zu machen. Der zuständige Polizeihauptkommissar Detlef Schubert zieht daraus den Schluß, daß die Frau von auswärts kam oder aus Friedrichshain weggezogen ist.

Es gehört zu den Ritualen der Berliner Politik, das Senatoren oder Mitglieder des Abgeordnetenhauses sich nach spektakulären Vorfällen mit Hunden zu Wort melden und mehr oder weniger sinnvolle Vorschläge für eine Verschärfung der Berliner Hundeverordnung machen. Zu diesen Vorschlägen gehören zum Beispiel ein allgemeiner Leinenzwang, ein "Hundeführerschein" für Besitzer von sogenannten Kampfhunden oder eine erhöhte Hundesteuer für diese sogenannten Kampfhunde. In der Vergangenheit schafften die Berliner Politiker es allerdings nicht, eine sinnvolle Regelung zu schaffen, die tatsächlich dazu beitragen könnte, die Menschen vor "gefährlichen Hunden" und ihren unverantwortlichen Haltern zu schützen.

Mitte Januar hat nun das Bundesverwaltungsgericht höchstricherlich entschieden, das die Kommunen das Recht haben, für Hunde bestimmter Rassen ("Kampfhunde") eine erhöhte Hundesteuer zu fordern. Ob sich die Berliner Politiker dazu durchringen können, diese Chance zu nutzen?
Detlef Kundt

* Verordnung über das Halten von Hunden in Berlin, ¤ 3, Gefährliche Hunde:
"Als gefährliche Hunde im Sinne dieser Verordnung gelten Hunde, die
1. wiederholt in gefahrdrohender Weise Menschen angesprungen haben.
2. wiederholt Wild, Vieh, Katzen oder Hunde gehetzt oder gerissen haben.
3. sich gegenüber Mensch oder Tier als bissig erwiesen haben.
4. auf Angriffslust oder über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbereitschaft, Schärfe oder andere in der Wirkung gleichstehende Zuchtmerkmale gezüchtet oder trainiert wurden."


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