Ausgabe 02 - 2000berliner stadtzeitung
scheinschlag

Diese Ausgabe

Inhaltsverzeichnis


Zur Homepage

Kommentar

Es wäre ein Wunder gewesen, wenn die schnelle Umsetzung des Arbeitslosentickets glatt über die Bühne gegangen wäre. Aus einschlägigen Erfahrungen ist man bei den Erwerbsloseninitiativen darauf spezialisiert, die nächste Verhinderungstaktik schon im Vorfeld zu erkennen und aufzudecken. Derzeit ist das klassische Hindernis, das fehlende Geld, ins Rennen geschickt. Der neue Finanzsenator Kurth (CDU) hat seine leeren Kassen entdeckt, vielleicht findet sich ja in anderen Ressorts ein Geldtopf. Die Arbeitslosen sind einigermaßen aufgebracht.

Die Ablehnung des Arbeitslosentickets ist eine Missachtung von demokratischen Beschlüssen
Berliner Arbeitslose fordern die sofortige Einführung des am 23. September beschlossenen Arbeitslosentickets!
Billigere Preise bringen mehr Kunden, das weiß jeder Einzelhändler! Nur die BVG, die S-Bahn GmbH, die Verkehrsverwaltung und die Finanzverwaltung scheinen das nicht zu wissen!

Die BVG hatte eine Landesbürgschaft zur Einführung von verbilligten Fahrpreisen für Erwerbslose gefordert. Der neue Finanzsenator Kurth (CDU) lehnte diese Bürgschaft Ende letzter Woche ab. Soll es deshalb kein Arbeitslosenticket geben?

Sowohl die BVG als auch die S-Bahn GmbH behaupten, verbilligte Erwerbslosentickets wären ein Verlustgeschäft. Das ist nach Ansicht von Erwerbslosen aber auch nach Ansicht einiger Verkehrsexperten glatter Unsinn. Erwerbslose fahren meistens schwarz. Die weniger Mutigen bleiben Zuhause in ihrer nicht selbst gewählten Isolation! Verbilligte Tickets bringen den Verkehrsbetrieben zahlende Kunden! Über 62000 Erwerbslose fordern per Unterschrift die Wiedereinführung von verbilligten Arbeitslosentickets. Das sind 62000 potentielle Kunden!

Ca. 270000 BerlinerInnen sind erwerbslos, weil ihr Betrieb dichtgemacht wurde, weil der Betrieb verkauft wurde oder weil zugunsten höherer Gewinne rationalisiert wurde. Diese 270000 könnten in einer Stadt wie Berlin sehr viel unternehmen. Sie könnten sich weiterbilden, Museen besuchen, Sport machen, soziale Kontakte pflegen und durch diese Aktivitäten neue Ideen und Anregungen bekommen. Aber sie können weder diese Aktivitäten noch den Fahrschein dahin bezahlen. Sie vereinsamen und fühlen sich nicht nur ausgegrenzt, sie werden tatsächlich ausgegrenzt, weil sie quasi unter Hausarrest stehen. Wofür werden sie eigentlich bestraft?

Aktive Erwerbslose aus den Erwerbslosenausschüssen des DGB und aus den Initiativen im Aktionsbündnis Erwerbslosenproteste wollen diesem Hausarrest ein Ende bereiten. Seit Mai 1999 kämpfen sie für die Wiedereinführung des Arbeitslosentickets. Sie fordern, dass demokratische Beschlüsse auch umgesetzt werden. Ist das in einem demokratischen Staat zuviel verlangt? Oder sind die Verkehrskonzepte, die die Daimler-Chrysler AG regelmäßig und gratis an die Verkehrsverwaltung liefert, für Parteien, einzelne Politiker und Mitarbeiter der Verwaltung etwa aus anderen Gründen lukrativ?
Arbeitslosenticket jetzt!

Dudenstr. 10, 10965 Berlin, fon 788 009-49 (Mi 16-18h)

© scheinschlag 2000
Inhalt dieser Ausgabe | Home | Aktuelle Ausgabe | Archiv | Sitemap | E-Mail

  Ausgabe 02 - 2000