Ausgabe 02 - 2000berliner stadtzeitung
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Die Schiessbude vom Wienerwald "Kaliber Deluxe" von Thomas Roth

Im Schlussverkauf bei Kaufhof gab es Calvin-Klein-Unterhosen für fünf Mark auf dem Krabbeltisch.

"Kaliber Deluxe" ist keine neue Herrenunterwäsche, und wahrscheinlich bezieht sich der Titel des deutschen Kinodebuts von Thomas Roth nicht auf die Fortpflanzungsorgangrösse von Jürgen Tarrach, den man in einer der Schlüssellochszenen des "raffinierten und spannenden Thrillers" aus Österreich beim Wichsen auf dem Clo zukucken darf. (Zu sehen gibt«s aber nix.)

Ähnlich kleinkalibrig reihen sich denn auch die übrigen Vorkommnisse der postpubertären Räuberpistole aneinander, die sich "vor amerikanischen Vorbildern nicht zu verstecken braucht", will sagen, mit den Filmen der vom Autor und Regisseur verehrten Celluloid-Ikonen Coen, Scorsese und Tarrantino ungefähr so viel zu tun hat wie das eingangs erwähnte Schlussverkaufsschnäppchen mit exklusiver Herrenwäsche.

Also: Drei altjugendliche Ganoven (Jürgen Tarrach, Frank Giering und Herbert Fritsch) überfallen im Auftrag eines alten Ganoven (Jürgen Hentsch), der nebenbei im Rollstuhl sitzt und Tabakwaren verkauft, ein Wettbüro und erbeuten dabei zufällig auch den Geldkoffer eines anderen alten Ganoven, der damit gerade seinen Wettbetrug finanzieren wollte und zufällig genau der ist, der dem anderen alten Ganoven die Beine hat wegschiessen lassen. Jetzt will er natürlich sein Geld zurück, aber die Ganoven haben sich in einem Ferienbungalow in den Alpen versteckt ( da liegt Schnee, das sieht dann aus wie in "Fargo"). Und dann ist da noch der jugendliche, gutaussehende Dean (Marek Harloff), der zufällig die Nacht mit der niedlichen, französischen Psychologiestudentin Romy (Annelise Hesme) im Bungalowbett verbracht hat, wo er sich eigentlich doch als Verwalter der Anlage um kaputte Klospülungen kümmern sollte. Nach viel kleinkalibrigem Herumgeballer sind die Gangster endlich tot oder im Knast und das junge Paar mit dem Geld in der Südsee.

Spielen tut das Ganze, unterlegt vom polternden Soundtrack von Bela B., der auch mal böse in die Kamera gucken darf, in Wien und Umgebung. Das macht aber nichts, denn die Schauspieler reden alle Hochdeutsch. Nur Annelise Hesme spricht ihren brav auswendig gelernten Text mit charmantem französischen Akzent, weil der Autor das so charmant fand.

Zugegeben, es wäre noch peinlicher, wenn die deutschen Darsteller im Operetten-Wienerisch dahertölpeln müssten, aber warum sich ein so gestandener Vertreter deutschen Fernsehkunst wie Dieter Pfaff auf den Schmäh eingelassen hat, bleibt ebenso unerklärlich wie die Tatsache, dass Marek Harloff die Rolle des Möchtegernhallodris Dean übernommen hat, wo er völlig unterfordert ist - wohl um sein unbestrittenes Talent ausserhalb der montäglichen Dallmeyer-Kaffeefahrten im ZDF beweisen zu können.

Bleibt, nicht nur dem österreichischen Film gerade in skifahrerbraunen Zeiten eine Besinnung auf die eigenen Geschichten zu wünschen, anstatt sich weiter hinter dem grossen Bruder aus Amerika den billigen Designer-Schlüpfer nass zu machen. Schiesser-Feinripp-Unterhosen gab es übrigens nicht im Angebot. Das lässt hoffen.
go

Kinostart: 2. März

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