Ausgabe 02 - 2000berliner stadtzeitung
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Zwei Unbequeme

Die Arbeit des Regisseurs Antonin Dick in memoriam Jakob van Hoddis

Solidaritätskultur hat häufig den Beigeschmack von Agit-Prop und Politkitsch. Doch damit hat der Theaterregisseur Antonin Dick nichts im Sinn. Im Oktober 1991 hat er das Jakob van Hoddis Theater, eine jüdische Theaterinitiative in Berlin, gegründet. Benannt ist sie nach dem deutsch-jüdischen Wegbereiter des Expressionismus, der von den Nazis als Asphaltliterat geschmäht, 1942 in einem Vernichtungslager ermordet wurde.

Die seitdem auf verschiedenen Bühnen aufgeführten Stücke des Jakob Hoddis Theaters "Ich, Susanne Salomon", "Ich komme hier wieder heraus!" und die "Ballade vom Emigranten" kreisen um die deutsche Vergangenheit aus der Perspektive der Opfer. Dabei blieben Bezüge zur Gegenwart nie ausgespart. "Als die Jüdische Gemeinde in Erfurt von Neonazis mit einem Schweinskopf geschändet wurde, haben wir diesen Anschlag sofort in provokativer Form in die Inszenierung eingearbeitet", erinnert sich Dick.

Die Beschäftigung mit Verfolgung und Vertreibung hat bei Dick einen biographischen Hintergrund. Seine jüdischen Eltern mussten in der Nazizeit nach Großbritannien fliehen, wo er während des Krieges geboren wurde. Nach Kriegsende ging die Familie in die DDR und hoffte dort eine neue Gesellschaft aufbauen zu können. Schon früh geriet der junge Antonin mit seiner künstlerischen Arbeit in Konflikt mit den DDR-Oberen, wegen Verbreitung pazifistischen Gedankenguts.

"Mein Status als Emigrantenkind bewahrte mich vor Schlimmeren"; ist Dick überzeugt, der 1987 die "Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht der DDR" mitbegründete. Konflikten ging er auch nicht aus dem Weg, nachdem er 1987 in den Westen übersiedelt war. So als das damalige Künstlerhaus "Die Möwe" 1992 das Theaterstück "Ich, Susanne Salamon" nach der Uraufführung absetzte und damit einen Skandal verursachte. KünstlerInnen organisierten eine Protestdemo.

Auch mit seinen neuesten Projekt greift Dick in die gesellschaftliche Debatte ein. Es wurde durch folgende Aussage eines Spechers der Berliner Sozialverwaltung angestossen: "Wir wollen den Menschen mit Nachdruck klarmachen, dass sie ausreisen sollen" sagte der zum Hungerstreik von Flüchtlingen für das Recht auf die Zubereitung eigener Mahlzeiten. Dick sammelte im Theater Unterschriften für die Flüchtlinge und schickte sie an den Senat, und im Januar inszenierte er die "Ballade vom Emigranten" für einen Benefiz-Abend für die Kinder der Flüchtlingsfamilien in Pankow.
Peter Nowak

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