Ausgabe 01 - 2000berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Richtig schön ist es nirgends...

...nicht in der Stadt, nicht auf dem Land: "Stellungskriege" im Theater unterm Dach,
ein "Schädel von Connemara" im Theater 89

Männer und Frauen in grauen Anzügen und Kostümen laufen aufgeregt auf einer Rampe hin und her. Es geht um Arbeit und den Geschlechterkampf, um "Stellungskriege", so der Titel des Stücks von Regisseur Jan Jochymski und seiner Truppe Theaterschafft, die im letzten Jahr mit "Morgen Danach" Erfolge feierte. "Stellungskriege" ist auch wieder eine Eigenproduktion und aus dem Spiel heraus entwickelt. Selbst am Premierentag wurde das Konzept noch einmal völlig umgeworfen.

Zuerst werden wir in eine Firma entführt. Dort wird charmiert, was das Zeug hält. Büroalltag. Die Sekretärin sagt immer schön "Jawohl" zum Chef, der generös Kaffee für alle verlangt. Vorgeblicher Hedonismus in der Schreibstube, von den Untergebenen schön nachgeplappert. Dann treffen sich die Herren auf dem Klo und vergleichen- na, was wohl. Mann klüngelt und heckt die nächste Verschickung in die Provinz aus: Einer soll nach Schwerin ins Landwirtschaftsministerium, um dort Werbung für ein neues Projekt zu machen. Dort trifft er die "Frau seines Lebens", eine PR-Referentin. Aber es wird nichts draus. Der Mann Jonas, ist der schwächere Teil, der Unzufriedene, Sensible. Seine Beziehung mit einer Physiotherapeutin ist kaputt - sie hängt nur am Telefon, respektive Handy.

Dann ist da noch der Abteilungsleiter, Herr Tollwert, der immer mit der Sekretärin flirtet und die immer schon verabredet ist. Die Charakterzeichnung der Figuren gelingt dem Sechserensemble fast durchweg gut. Ein wenig verwirrend ist anfänglich der Rollentausch der Schauspieler, da es bei den Kostümen kaum Unterschiede gibt: Alltägliches grau in grau. Von gleicher Farbe ist das kaum vorhandene Bühnenbild: Eine Rampe vorne und hinten.

Auch die Geschichten spiegeln Alltag, verdrängte Kindheit, verdrängte Wünsche und Sehnsüchte. Einmal zeigt einer seine Kinderfotos dem Publikum und wundert sich: "Das soll ich gewesen sein? Das ist Nicht-Ich." Ja, um Entfremdung geht es auch, Beziehungsunfähigkeit, Egoismus; blöde Talk-Shows, um das normale Großstadtleben. Was das Leben unerträglich werden läßt.

Ganz andere Probleme haben die Leute im irischen Städtchen Connemara. In "Ein Schädel in Connemara" von Martin Mc Donagh langweilt man sich, säuft, tratscht, und das besonders gern über Mick (Bernhard Geffke). Der hat die unangenehme Aufgabe, die Gebeine der Toten auf dem Friedhof umzubetten, da neue Grabstellen gebraucht werden. In diesem Jahr ist nun das Grab seiner verstorbenen Frau an der Reihe. Worauf sich schon das ganze Dorf zu freuen scheint, wird er doch verdächtigt, sie umgebracht zu haben. Der Dorfpolizist, der so gerne Detektiv sein möchte, "wie Quincy", und ständig von Gerichtsmedizin faselt setzt alles daran, Mick die Schuld in die Schuhe zu schieben. Sein Sohn Mairtin (Dirk Wäger) ist der jugendliche Idiot des Dorfes. Und die Oma Mary (Angelika Perdelwitz) hat sich auch gegen Mick verschworen. Dann kommt der große Abend, die Exhumierung, und die Knochen der toten Ehefrau sind nicht im Grab...

Die Geschichte erschließt sich nur durch die Erzählungen der Figuren, man muß quasi selbst Detektivarbeit leisten um folgen zu können. Trotz des Bemühens um Spannung wirkt das Ganze zäh. Anscheinend wollte der Regisseur Rudolf Koloc nicht zu stark in die Slapstickecke geraten. Die Geschichte an sich ist skurril, die Typen auch, doch die wirken etwas müde, nicht lethargisch, wie wahrscheinlich beabsichtigt.

Bühnenbildner Martin Fischer hat sich besonders bei der Friedhofszene etwas einfallen lassen, um dem kleinen Raum des Theater 89 Weite zu geben. Der Boden der Szene ist aus Werg geflochten.

Um die kleinen Perversionen geht es, um Wut, die nicht unterdrückt wird, um Feindschaften und ums Anderssein. Auf dem Dorf wahrt das Leben den trügerischen Schein, noch Ordnung zu sein.
ib

Stellungskriege, Theater unterm Dach, Danziger Straße 101, am 24. bis 26. Februar um 20 Uhr
Ein Schädel von Connemara, Theater 89, Torstraße 216, 4. bis 6. Februar, jeweils 20 Uhr

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