Ausgabe 11 - 1999berliner stadtzeitung
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Die DEFA lebt!

... weiter in Gestalt einer Stiftung

Vor einem Jahr wurde die DEFA Stiftung gegründet. Herr Klaue war Direktor des staatlichen Filmarchivs der DDR. Nach der Wende wurde er Freiberufler und arbeitete an ihrer Gründung mit, deren Vorsitz er heute innehat. Silvain hat mit ihm gesprochen.

Herr Klaue, was genau war das Staatliche Filmarchiv der DDR?
Es war eines der größten der Welt. Zu DDR-Zeiten gab es die Regelung, daß alle Filme, die im Lande produziert wurden auch archiviert werden sollten, also eine gesetzliche Abgabepflicht. Für Bücher ist das etwas Selbstverständliches, für Filme eine Ausnahme. Dadurch ist die Filmproduktion der DDR nahezu vollständige überliefert worden und heute noch nutzbar. Es wurden in diesem Archiv auch verbotene Filme aufbewahrt. Übereifer hätte sie alle vernichten können. Aber es ist nicht das Prinzip archivarischer Tätigkeit, Übereifer in politischem Gehorsam zu zeigen und gleichzeitig Kulturgut zu zerstören. Ein absoluter Glücksfall.

Ohne dieses Filmarchiv hätte die DEFA-Stiftung heute wahrscheinlich keinen Sinn?
So ungefähr. Die physische Verfügbarkeit der Filme war ja die Voraussetzung dafür, daß die Filmrechte auf unsere Stiftung übertragen werden konnten.

In der Wendezeit haben viele allles "Alte" wegeworfen, ihre Möbel, ihre Bücher. Warum ist wohl der der Filmbestand der DEFA verschont geblieben?
Natürlich gab es so etwas, aber das trifft nicht für alle Menschen zu. Man mußte sich umorientieren. Das war ein langer Prozeß, und vieles ist dabei chaotisch verlaufen. Die Überführung der Betriebe in neue Eigentumsformen hingegen ziemlich geordnet. In den Filmstudios war es ähnlich. Damals war eine Meinung unter den Filmemachern dominierend: Sie wollten ihre Filme nicht der allgemeinen Vermarktung unterwerfen. Einzelne hofften sogar, aus der nachträglichen Vermarktung ihrer Filme später Gewinn erzielen zu können. Heute weiß man über rechtliche Fragen natürlich mehr als damals. Die Erwartungen waren überzogen. Dazu kam, daß es im Umgang mit einem anderen historischen Filmerbe schon Erfahrungen gab: Nach 1945 mußte der Filmbestand des Deutschen Reiches auch irgendwie verwaltet werden, und dafür ist damals ein Modell geschaffen worden, die F. W. Murnau-Stiftung. Ich denke, sowohl die Stimmung unter den Filmemachern als auch die Erfahrungen der Bundesrepublik im Umgang mit einem historischen Filmvermögen, haben eine Rolle gespielt.

Heißt das, daß es eine Zusammenarbeit zwischen Ost und West gab?
Aber natürlich. Ich habe die Verhandlungen über die Zusammenführung des staatlichen Filmarchivs mit dem Bundesarchiv seit Anfang 1990 geführt. Und es gab auch gemeinchaftliche Überlegungen in Richtung auf die Stiftung. Vielleicht waren diese nicht so intensiv, weil das nicht ein vorrangiges Problem war. Wichtiger war zu überlegen, was mit den Studios weiter geschieht. Die Filme waren eher zweitrangig. Aber natürlich hat das Bundesministerium, nach1990 Einfluß auf die Entwicklungen in den DEFA-Studios gehabt und mitbestimmt, was mit den alten Filmen passieren soll.

Im Gegensatz zum staatlichen Filmarchiv der DDR haben Sie es heute mit einem toten Bestand zu tun.
Das ist Fakt, er ist tot, in dem Sinne, daß er nicht mehr wächst. Aber genauso wie Generationen nach 45 immer wieder ihr Interesse an Filmen der Nazizeit gezeigt haben, so gehe ich davon aus, daß junge Generationen die DEFA-Filme befragen werden: Wie war es denn damals? Man muß aber sicher einiges tun, um das zu befördern. Durch entsprechende Publikationen und Beiträge wollen wir mehr Aufmerksamkeit erwecken.

Wir kommen auf die konkrete Arbeit der Stiftung zu sprechen. Welche Ziele hat sie sich gesetzt?
Die DEFA-Stiftung hat eine Satzung: erstens, die Nutzbarmachung, Sicherung und Erhaltung des DEFA-Filmstocks; und zweitens die Förderung von deutscher Filmkultur und Filmkunst. Die Stiftung wird nicht nur DEFA-relevante Projekte befördern. Außer Filmproduktionen fördert sie alle übrigen filmkulturellen Aktivitäten, ob es Publikationen sind, Restaurierungen von Filmen, der Erwerb von Nachlässen oder die Unterstützung von Filmprogrammen. In diesem Jahr werden 80 Projekte Fördermittel von der DEFA-Stiftung erhalten. Und ich bin zufrieden, weil ich spüre, daß ein Teil dieser Projekte ohne die Unterstützung der Stiftung nicht überlebensfähig gewesen wären. Es ist eine Stiftung, die kein kurzlebiges Projekt ist, sondern in den nächsten Jahrzehnten wirken wird.

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