Ausgabe 08 - 1999berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Florierende Geschäfte

Botanische Selbsthilfe zwischen Senefelder- und Kollwitzplatz

Baumscheiben sind rund und haben viele Ringe. Dieser Rückschluss mag naheliegen, ist aber falsch. Baumscheiben sind rechteckig und mit bunten Blumen bepflanzt. - So jedenfalls entlang der Kollwitzstraße im Bezirk Prenzlauer Berg.

Die dortige Betroffenenvertretung kam auf die Idee, im "Kneipen-Kiez" ein blühendes Zeichen zu setzen. Kurzerhand wurden Balkonpflanzen in den Dienst gegen Hundekotschwemme und Bierbatterien gestellt. Die Ergebnisse haben bei einigen Besuchern schon für Verwirrung gesorgt, sahen sie doch ihre Vierbeiner in den Beeten tief verscharrt - die Bepflanzung mit pflegeleichten Stiefmütterchen erinnert stellenweise arg an einen Hundefriedhof.

Dennoch schön anzusehen, sind sie den angrenzenden Gastronomen und Gewerbetreibenden ans Herz gewachsen. Diese dürfen sich nun hin und wieder auch als Hobbygärtner um den Erhalt der botanischen Blickfänger bemühen. Die Idee der bürgerlichen Selbsthilfe geht auf, symbolische Baumscheibenaktien machen es möglich: Der Baumscheibenpate gießt die Pflänzchen regelmäßig und rupft ab und an Unkraut aus. Dafür darf er ein werbewirksames Schild zwischen die Blumen stellen, das den Wohltäter beim Namen nennt.

Schade, dass es immer erst solcher Anreize bedarf, um bürgerschaftliches Engagement herauszufordern. So steht zu befürchten, dass der Einsatz für den Straßenraum vor der Tür verebbt, sobald der erste Werbeeffekt abnimmt, - und dass die Baumscheibenpatenschaften ebensowenig den Winter überstehen wie die Geranien.
stephan eßwein / js

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