Ausgabe 07 - 1999berliner stadtzeitung
scheinschlag

Diese Ausgabe

Inhaltsverzeichnis


Zur Homepage

Der widerspenstige Shakespeare

Das Hexenkessel-Hoftheater wagt die Zähmung

Bianca ist heißbegehrt. Tugendsam, fragil, ein echter Schatz. Gleich mehrere Ehekandidaten buhlen um sie und ihre Mitgift. Alles wäre schnell gelöst, wenn sie nicht diese Kratzbürste von Schwester Katharina hätte, die bis jetzt jeden heiratswilligen Kandidaten vergrault hat. Zum Leidwesen der Freier Biancas ist Katharina auch noch die ältere, muß also zuerst unter die Haube gebracht werden. Da kommt ihnen ein heißsporniger Besuch namens Pertuchio gerade recht, dessen Jagdeifer vom Gezeter der Freier geweckt wird. Er wird es schon schaffen, das Biest vor den Altar zu zerren, um die Bahn für die anderen freizumachen... Und die Schlacht beginnt.

Wem das bekannt vorkam: Richtig, es geht um "Der Widerspenstigen Zähmung" von William Shakespeare. Dieses Stück hat sich in diesem Jahr das Hexenkessel-Hoftheater zur Brust genommen. Das Stück, das sowieso als Verwirrspiel angelegt ist, als Spiel im Spiel mit einer Rahmenhandlung und Rollentausch, wird sehr deftig gespielt. Die Commedia del arte-Einflüsse werden besonders gut in den Pantomimen gezeigt.

Große Gesten, bei denen Stummfilmtragöden neidisch werden könnten, die jedoch von niemandem ernstgenommen werden. Eine sparsame Möblierung, zwei Sessel und eine Art Vorhang und viele fliegende Kostümwechsel lassen keine Langeweile aufkommen. Die fehlenden Requisiten, Türen bespielsweise, werden einfach durch Pantomime und selbstgemachte Geräusche ersetzt. Das hat etwas von Kindergeburtstag oder kindlichen Rollenspielen. Macht aber dadurch umso mehr Spaß. Es dürfte sogar schenkelgeklopft werden, wenn man nicht so gut erzogen wäre.

Die Truppe um Jan Zimmermann ist nach fünf Jahren Zusammenarbeit wunderbar aufeinander eingespielt, was bei den nonverbalen spielerischen Aktionen sich besonders bemerkbar macht. In mittlerweile gewohnter Weise mit viel Lust am Spiel und Sinn für die Komik wurde es für die kleine Truppe bearbeitet, die Sprache modernisiert. Nur manchmal deklamiert einer der Darsteller den Shakespeare-Text, jedoch nicht, ohne auf den Autor hinzuweisen: "Das ist Shakespeare." Aber nur dann, wenn einer der Deppen intelligent erscheinen will.

Wie immer findet das Ganze unter freiem Himmel statt. Diesmal im Monbijoupark, direkt gegenüber vom Bodemuseum. Eine nicht ganz so romantische Spielstätte wie die bisherige in der Schönhauser Allee, dafür umso ausgefallener. Wenn es endlich dunkel ist, schauen die schattenhaften Figuren vom Giebel des Museums herunter. Vielleicht kichern sie auch ein wenig, man weiß ja nie... Manchmal fährt ein Dampfer vorbei, die Mücken zeigen große Präsenz im Scheinwerferlicht. Das macht aber die auch gewollte Atmosphäre aus. Man hat auf alle Fälle seinen Spaß.
ib

"Der Widerspenstigen Zähmung", Hexenkessel-Hoftheater, Monbijoupark, Monbijoustraße 3, noch bis zum 5. September, Mitwoch bis Sonntag, jeweils 21.30 Uhr

© scheinschlag 2000
Inhalt dieser Ausgabe | Home | Aktuelle Ausgabe | Archiv | Sitemap | E-Mail

  Ausgabe 07 - 1999