Ausgabe 07 - 1999berliner stadtzeitung
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Hacking the Border

Zweites Sommercamp der Kampagne "kein mensch ist illegal" bei Zittau

Im Sommer letzten Jahres belagerten einige Hundert AktivistInnen zehn Tage lang die deutsch-polnische Grenze bei Görlitz. Der 48-Stunden-Rave, die spektakuläre Eröffnung dreier neuer Grenzübergänge, ein Taxi-Konvoi, eine Demonstration in Freiberg anläßlich des Todes von sieben Kosovo-Flüchtlingen, ein "Knastbeben" am örtlichen Gefängnis und schließlich die komplette Besetzung des Grenzflusses Neiße mit Booten, SchwimmerInnen und Schaulustigen waren Höhepunkte der Aktionswoche. Daneben gab es Konzerte, Streetball, Nachtspaziergänge, Filmabende, Diskussionsveranstaltungen und Spaßguerilla-Aktionen wie der triumphale Zieleinlauf des kein mensch ist illegal-Teams bei der Sachsenrundfahrt der Radamateure.

Das Camp 98 war aber nur der Auftakt. Vom 7. bis zum 15. August 1999 werden die Zelte in Lückendorf bei Zittau am deutsch-polnisch-tschechischen Dreiländereck aufgeschlagen. Das Camp steht unter dem Motto "Hacking The Border" und ist als Plattform für die unterschiedlichsten Aktionen gedacht. Neben den antirassistischen und antifaschistischen Gruppen beteiligen sich Polit- und MedienaktivistInnen, Radio- und Video-Piraten, MusikerInnen, DJs, KünstlerInnen und Menschen aus allen Teilen Europas an der Vorbereitung und Durchführung des Grenzcamps.

Menschen lassen sich von jeher nur schwer daran hindern, Grenzen zu überschreiten. Die Entscheidung über den Aufenthaltsort in die eigene Hand zu nehmen, mag für die einen selbstverständlich sein, andere haben oft existentielle Gründe und fliehen vor Verfolgung, Ausbeutung und Krieg, sehen in ihrem Herkunftsland keine Perspektive.

Wie dicht die Grenzen schon geworden sind, zeigen die Probleme, mit denen Kriegsgegner aus dem ehemaligen Jugoslawien zu kämpfen haben: Da sie aus einer Krisenregion stammen, bekommen sie kein Visum für die Einreise in die EU.

Gleichgültig, wozu und weshalb - bestimmte Grenzen zu passieren, ist für die meisten Menschen dieser Welt heute schwerer denn je. Das Grenzregime besteht nicht mehr aus den herkömmlichen Befestigungsanlagen. Durch Schleierfahndung und verdachtsunabhängige Kontrollen wird das ganze Land zum Grenzgebiet, die High-Tech-Überwachung des unmittelbaren Grenzverlaufes ist nur ein Aspekt bei der Durchsetzung der neuen Aus-Grenzungsstrategie: Mit Denunziationsappellen und durch gezieltes Schüren von Ressentiments gegen Flüchtlinge wird ein Klima von Verunsicherung und Verrat erzeugt. Ein fruchtbarer Boden für die neue Rechte, so ist es wohl kein Zufall, daß Zittau ein Organisationszentrum der NPD ist.

Das 99er Camp ist ein weiterer Versuch, diese Bedingungen für latenten und offenen Rassismus, wie im Fall des neuen Grenzregimes, von staatlicher Seite durchaus gewollt, aufzudecken. Gleichzeitig aber auch eine Unterstützung für alle Menschen, die sich dieser Maschinerie widersetzen. Die Mittel sind Aufklärung und sachliche Information, taktische Experimente, hinterhältiges Amüsement und gezielte Irritationen.

Kontakt zu "kein mensch ist illegal" über die Forschungsgesellschaft Flucht und Migration, Gneisenaustr.2a, 10961 Berlin. E-Mail: grenze@ibu.de und www.contrast.org/border/camp

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  Ausgabe 07 - 1999