Ausgabe 07 - 1999berliner stadtzeitung
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Musik für die Massen

HipHop als Waffe: Public Enemy und Missy Elliot

"Do You Wanna Go Our Way" war bis Mitte Juli die entscheidende Frage von Public Enemy. Bis dahin gab es ihre neue CD ausschließlich nur im bzw. über das Internet. Dem vorausgegangen war ein Streit mit ihrem Label "Def Jam", das sich weigerte, die neue Scheibe herauszubringen und sich weniger wie ein Vertrieb, denn mehr als Zensor aufspielte. Daraufhin stellten PE die Songs kurzerhand zum Download ins Internet. Damit hatte die langjährige Zusammenarbeit ein Ende und PE konnte neue Deals abschließen: amazon.com bietet die CD für zehn Dollar an und Iomega, der Zip-Hersteller will sie demnächst in Computerläden im Zip-Format vertreiben. Mit Atomicpop/PIAS haben Public Enemy schließlich noch ein reguläres Label gefunden und "There«s A Poison Goin« On" steht jetzt im Plattenladen. Aber nach wie vor ist die CD günstiger aus dem Netz zu bekommen. Damit sind Public Enemy Vorreiter für eine neue Vermarktungspolitik, die sich gegen die Macht der großen Majors richtet. Mit "There«s A Poison Goin On" melden sich PE auch musikalisch mit heftigem Getöse zurück. Waren die letzten Alben nicht gerade besonders innovativ, überschlägt sich die neue mit dichtestem Sounddesign. Ohne auf die mehr als nervige Skilldebatte der letzten Jahre einzugehen, zeigen PE, daß es bei HipHop um mehr gehen kann als um gegenseitiges Dissen. Entsprechend eindeutig sind auch auch die Raps: Klar, eine Abrechnung mit der Plattenindustrie, erneut die Anklage gegen brutale Polizeiübergriffe und diverse Stellungnahmen zur gesellschaftpolitischen Katastrophensituation in den US of A.

Auch wenn Missy "Misdemeanor" Elliot noch die alten Vertriebswege beschreitet, geht es ihr inhaltlich um ähnliche Strategien wie wie PE. Missy Elliot gehört zu den wenigen Frauen im Musikbusiness, die auch als Produzentin und nicht nur Künstlerin erfolgreich und respektiert ist. Mit "Da Real World" (EastWest) stiftet sie ein programmatisches Werk. Erklärtes Ziel ist, ihre Mittel, ihre Sprache als performative Waffe einzusetzen. Ausgehend von der Ghettosituation, die gerade schwarze Frauen besonders hart trifft, arbeitet sie offensiv an einem neuen Selbstwertgefühl von Frauen. Auf sarkastische Weise stellt sie das hohle Gehabe von all den SupaPimps bloß, und macht sich daran, den Begriff Bitch positiv umzuwerten. "Da Real World" ist von daher programmatisch, als daß sie weder die Unausweichlichkeiten der Realität leugnet noch in einen pessimistischen Habitus verfällt, sondern genau auf diesem engen Territorium nach Eingriffsmöglichkeiten sucht. Unterstützt von Timbaland als Produzenten hat sie dazu einen Sound geschaffen, dessen Beats auf der einen Seite die Enge der Ghettos wiedergeben, gleichzeitig aber unglaublich pointiert und genau zuschlagen, so daß diese Dichte an allen Ecken und Enden auseinanderzubersten scheint. Dabei ist die Musik keinesfalls düster oder aggressiv, sondern vielmehr voller Funk und ungewohnt komprimierter Energie.
Marcus Peter

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  Ausgabe 07 - 1999