Ausgabe 06 - 1999berliner stadtzeitung
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Die Faszination schimmernder Kristalle
Berlin - die Solarhauptstadt?

Quicklebendig wirken die Einträge zur Solartechnik im Berliner Branchenbuch. Die Entwicklung dahin begann im Westberlin der Achtziger. Damals hatten die Firmen Namen wie Wuseltronic und Ingenieurkollektiv. Heute klingt es professioneller, sogar eine Aktiengesellschaft ist dabei. Angeboten werden Kollektoren und Speicher zur solaren Wärmegewinnung sowie Photovoltaikmodule, die der Stromgewinnung aus Sonnenlicht dienen. Ein kleiner aber feiner Arbeitsmarkt hat sich auch entwickelt. Führend ist dabei die 1996 mit weniger als 10 Mitarbeitern gegründete und seit letztem Jahr börsennotierte SOLON AG. Heute gibt es beim Solarstrom-Komplettanbieter 60 Arbeitsplätze, Tendenz steigend.

Ist Berlin auf dem Weg zur Solarhauptstadt? Ja, lautet die erfreuliche Antwort, wenn man den Blick auf die Solarstromtechnik richtet. Einen Impuls dafür gibt der Regierungsumzug. Auf dem Paul-Löbe-Haus wird in diesem Jahr eine Anlage mit 120 kW Leistung errichtet. Der neue Hauptbahnhof in Tiergarten erhält Module für 330 Kilowatt. Diese bilden eine der größten Anlagen des Landes sowie die dringend benötigte Teilverschattung der geplanten Glashalle. Die erzeugte Energiemenge deckt den Bedarf von 100 Haushalten.

Anteil am Erfolg hat auch die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS). Neben Öffentlichkeitsarbeit und Ausbildung gehören Projektentwicklungen zum Schwerpunkt. Der Umbau der Treptower "Arena" nach einem ökologischen Gesamtkonzept der DGS ist ein Beispiel. Dort wurde die anspruchsvolle Aufgabe gelöst, eine 30 kW-Photovoltaikanlage in den denkmalgeschützten Altbau zu integrieren.

Endlich gibt es Geld

Eine Voraussetzung für die Breitenanwendung der Photovoltaik in Berlin wurde durch die Solarstrombörse der BEWAG geschaffen. Nach zähem Kampf fand sie sich bereit, bis Ende 2000 rund 40 Millionen DM auszugeben. Gefördert werden Anlagen der Leistung 1 kW mit 8 qm Fläche bis zu Großanlagen. Zusammen mit dem für sich genommen dürftigen 100 000-Dächer-Programm aus Bonn ergeben sich akzeptable Zahlen. Die Entscheidung für eine Solarstromanlage erfordert keine hohe Liquidität und sie spielt während ihrer Lebensdauer das investierte Geld wieder ein.

Solare Milchaufschäumer und Kabinenroller

So belebt sich das Geschäft der Steglitzer Solarfirma P+P Schoenau, die neben Solartechnik auch elektrisch unterstützte Fahrräder und Kabinenroller im Angebot hat.

Ohne Fördergeld ist der Einstieg ins Solarzeitalter mit den Produkten der Firma SOLARC möglich. 30 000 Exemplare des solarbetriebenen Milchaufschäumers Solait haben sie bisher verkauft.

Auf dem zweiten Gebiet der Solartechnik gehört Berlin eher zur Solarprovinz. Tausende von Wohnungen wurden neu gebaut, und vergebens sucht man auf den tadellosen Dächern nach Kollektoren zur Wärmegewinnung. Dabei ist diese Technik längst ausgereift. Andernorts realisierte Projekte belegen, daß die Solar-Mehrkosten unter 2% der Baukosten pro Wohnung liegen. Außerdem gibt es in Berlin auch Fördermittel.

Das wissen die Entscheidungsträger der Immobilienfirmen und Fondsaufleger nicht. Es gilt in Kreisen dieser zumeist älteren Kaufleute als Zeichen mangelnder Seriösität, sich mit solchen Themen auch nur zu beschäftigen. Der Senat konnte sich noch nicht dazu durchringen, den Einsatz von Solartechnik zur Wärmegewinnung im Neubaubereich gesetzlich vorzuschreiben. Mit Blick auf die sonstige Regulierungswut der Baubehörden ist das eher unverständlich.

So hat sich die 1987 als Installationsbetrieb für Solarkollektoren gegründete UFE Solar GmbH ab 1993 lieber außerhalb Berlins weiterentwickelt. Die inzwischen 45 Mitarbeiter sind in Eberswalde zum drittgrößten Kollektorhersteller bundesweit geworden. In der Forschung entstanden Arbeitsplätze mit Zukunftsoption, die Berlin auch gebrauchen könnte.

Worldwatch warnt - Bund und EU sind gefragt

Das Jahr 1998 setzt die Tendenz zur globalen Erwärmung mit einem Jahrhundertrekord fort. Gleichzeitig berichtet das Worldwatch-Institut von der höchsten gemessenen CO2-Konzentration. Wollen Bundesregierung und EU die schnelle Verringerung der CO2-Emissionen zur Gefahrenabwehr als Aufgabe ernstnehmen? Falls ja, dann wird die Förderung der Solarenergie nach dem Vorbild anderer Investitionsförderungen radikal umzustellen sein. Dort werden Mittel mit dem Ziel vergeben, für sich genommen unwirtschaftliche Aktivitäten wie die Errichtung von mietgünstigem Wohnraum oder bis vor kurzem die Verstromung von Steinkohle, doch rentabel zu machen. Klaglos zahlten die Stromverbraucher im Jahr 1994 für die Steinkohleförderung 6,1 Mrd. DM in Form eines Rechnungsaufschlages von 8,5%, den sogenannten Kohlepfennig. Soll also eine der Aufgabe angemessene wirksame Investitionstätigkeit für den Betrieb von Solaranlagen ausgelöst werden, so muß auch hier dafür gesorgt werden, daß sich die Investition mindestens auf Sparbuchniveau rentiert.

Christof Huth

Firmenunabhängige Beratung zu Technik und Förderprogrammen bietet die DGS an: DGS Landesverband Berlin-Brandenburg e.V., Seestraße 64, 13347 Berlin, fon 75 70 23 10

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  Ausgabe 06 - 1999