Ausgabe 06 - 1999berliner stadtzeitung
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Hühnerstall im Hinterhof

Die Zusammenlegung von Höfen kann die Wohnqualität steigern

Die Wohnqualität vor allem in einem Altbaugebiet bemißt sich nicht allein nach dem Standard der Wohnung, der Qualität des öffentlichen Straßenlandes oder dem Vorhandensein öffentlicher Infrastruktur in der Umgebung. Eine wichtige Rolle spielen auch die Höfe. Wenn sie zu mehr genutzt werden können als nur für die Mülltonnen oder als Fahrradabstellplatz, dann steigt die Wohnqualität erheblich: Nachbarn kommen hier ins Gespräch, Kinder zum Spielen. Vor allem bei schönem Wetter wird ein gut gestalteter Hof zum Treffpunkt für die Hausgemeinschaft.

Deutlich wird das in Höfen von Häusern, die von ihren Bewohnern mit Unterstützung des Selbsthilfeprogramms saniert worden sind. Da sieht man häufig die Nachbarn im Gespräch miteinander sitzen, in Nischen, die extra für diesen Zweck eingerichtet worden sind. Manchmal gehören Spielhäuser für die Kinder, ja sogar Hühner- oder Hasenställe dazu.

Bei den meisten Sanierungen jedoch spielt der Hof eher eine untergeordnete Rolle, er wird als Durchgangsstation geplant und hat oft kaum Aufenthaltsqualität. Häufig ist er jedoch einfach zu klein, zu eng und zu dunkel, um als Aufenthaltsort dienen zu können. Teilweise verschlechtert auch die Restitution von Altbauten den Zustand: Zusammengelegte Höfe werden dann jeweils verschiedenen Eigentümern zugeteilt, die dann ihren Grundstücksteil mit Zäunen oder gar Mauern gegeneinander abschotten - zu Lasten der Aufenthaltsqualität. Teilweise problematisch ist auch die Gestaltung der Brandwände. Wenn diese auf einen Nachbarhof zeigen, das eigene Grundstück also nicht beeinflussen, so zeigen Eigentümer häufig wenig Interesse daran, sie zu verputzen oder zu bepflanzen - obwohl eine helle Brandwand wesentlich mehr Licht reflektiert, was vor allem bei engen Höfen die Qualität von Wohnungen in den unteren Etagen erheblich verbessert.

Regelwerk für die Rosenthaler Vorstadt

Um die Gestaltung der Höfe zu verbessern, hat die Kommune in Sanierungsgebieten die Möglichkeit zu intervenieren. Für die Sanierungsgebiete in Mitte gibt es über den Rahmenplan hinaus bereits mehrere Regelwerke, die sich damit befassen. Für einige Bereiche gibt es Blockkonzepte, in denen recht detailliert vorgeschrieben wird, wie bei einer Sanierung zu verfahren ist. - dazu gehört manchmal auch der Abriß einzelner Gebäudeteile, um die Qualität der verbleibenden zu verbessern. Weiterhin existiert ein Dachgeschoßgutachten, das eine Genehmigung für einen Dachgeschoßausbau unter anderem von der Qualität der Freiflächen auf einem Grundstück abhängig macht. Sind die Höfe zu eng, kann die Genehmigung völlig versagt werden. Besteht die Chance, durch gezielte Maßnahmen die Aufenthaltsqualität zu verbessern, kann die Genehmigung von deren Durchführung abhängig gemacht werden.

Für das Sanierungsgebiet Rosenthaler Vorstadt hat das Koordinationsbüro nun eine eigenständige Untersuchung durchgeführt, in der die einzelnen Höfe klassifiziert werden. Damit soll der für die Genehmigung zuständigen Sanierungsverwaltungsstelle ein Regelwerk in die Hand gegeben werden, auf das sie sich berufen kann, wenn Sanierungsgenehmigungen oder Entlassungen aus dem Sanierungsgebiet beantragt werden. Klassifiziert werden die Höfe dabei in insgesamt vier Haupttypen. Am strengsten verfahren werden soll bei Typ 1: "Die Schaffung gemeinsamer, grundstücksübergreifender Gestaltungen und Nutzungen ist grundsätzliches Sanierungsziel" heißt es hier und: "Hiervon kann nur ausnahmsweise unter besonderen Gründen abgesehen werden." Ingesamt 24 Hofbereiche auf über 70 Grundstücken sind in einem ersten Entwurf zu einem Übersichtsplan in dieser Kategorie aufgeführt. Dazu gehören die Höfe enger Eckgrundstücke, die bei einer Abtrennung von Nachbarhöfen keinerlei Qualität aufweisen würden, genauso wie größere Hofbereiche etwa auf dem Block 037 (Brunnen-, Veteranen-, Fehrbelliner Straße), für die schon ein detailliertes Blockkonzept vorliegt. Weniger streng ist die Klassifizierung bei den weiteren Typen. Sie reicht von Typ 2a ("Eine grundstücksübergreifende Gestaltung und Nutzung der Freiflächen würde positive Wirkung zeigen, ist aber nicht zwingend herzustellen. Die Schaffung grundstücksübergreifender Lösungen sollte nur im Einvernehmen mit Eigentümern und Mietern realisiert werden") bis zum Typ 4 ("Maßnahmen zu grundstücksübergreifenden Gestaltungen und Nutzungen werden nicht angestrebt.").

Problematisch ist die Finanzierung

Diese Untersuchung, die von der Betroffenenvertretung des Gebietes grundsätzlich begrüßt wird, ist aber noch nicht abgeschlossen. Gegenwärtig prüft die Sanierungsverwaltungsstelle noch deren Umsetzbarkeit. Ein großes Problem ist dabei vor allem die Finanzierung. Normalerweise können die Bezirke nämlich die Bereitschaft der Eigentümer zur Qualifizierung der Höfe steigern, indem sie aus den Ordnungsmaßnahmemitteln der Sanierungsgebiete Geld zuschießen. In Mitte sind die Möglichkeiten jedoch extrem begrenzt. Die vom Senat für diese Zwecke zugewiesenen Mittel sind knapp, bei deren Bemessung wurden - wie bereits mehrfach an dieser Stelle berichtet - die Landeszuschüsse für die öffentlich geförderte Sanierung in den Gebieten zugrunde gelegt. In der Spandauer Vorstadt wird jedoch ein erheblicher Teil der Fördermittel im Denkmalschutzprogramm vom Bund finanziert. So reichen die Mittel in Mitte gerade einmal für die Pflichtaufgaben - von der öffentlichen Mieterberatung bis zu Sozialplanverfahren. Für Zuschüsse etwa zur Qualifizierung der Höfe bleibt kaum noch etwas übrig. Zur Zeit laufen Verhandlungen mit dem Senat, um diese Ordnungsmaßnahmemittel aufzustocken. Nicht zuletzt von dem Erfolg dieser Verhandlungen wird es also abhängen, bis zu welchem Grad die Verbesserungen der Hofqualitäten in der Rosenthaler Vorstadt durchgesetzt werden. Für die Attraktivität des Gebietes - vor allem auch für Familien, die ansonsten drohen, ins Umland wegzuziehen - wäre das sicherlich ein Gewinn.

Christof Schaffelder

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