Ausgabe 06 - 1999berliner stadtzeitung
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Kiezfeste im Friedrichshain

Der Samariterkiez feiert gleich doppelt

Zwei Friedrichshainer Straßenfeste thematisieren die städtische Entwicklung ihrer Umgebung: Das Samariterviertel ist seit fünf Jahren Sanierungsgebiet. Das heißt, daß die Menschen, die hier leben, nicht vertrieben und die Mischung von Gewerbe und Einzelhandel erhalten bleiben soll.

In der Schreinerstraße werden "2000 Tage Sanierung" gefeiert und zugleich kritisch hinterfragt. In der Liebigstraße feiern die, welche von vornherein auf Selbsthilfe anstelle staatlicher Regulierung - selbst wenn sie "gut gemeint" ist - setzen: die Bewohner der ehemals besetzten Häuser. Der Samariterkiez weist nicht nur eine bunte Bevölkerungsmischung auf, sondern auch die höchste Dichte an einst besetzten Häusern mit politisch und sozio-kulturell sehr aktiven Hausgemeinschaften.

In der Schreinerstraße organisiert zusammen mit der Mieterberatung ASUM und dem Sanierungsträger Stattbau der Verein S.C.E.N.E. 5 das Straßenfest. Hier werden eher die "normalen" Bürger des Kiezes angesprochen. Doch bei aller Ignoranz, die beide Feste gegeneinander aufbringen, wird der Charakter in beiden Fällen kaum sehr unterschiedlich sein - die Motivation ist ohnehin die gleiche: sich im Alltag durch den Aufbau und die Durchsetzung verwaltungstechnischer Strukturen oder in Hausgemeinschaften für ein besseres Lebensumfeld einzusetzen. Und gleichzeitig den Ausverkauf der Stadt an Spekulanten zu verhindern. Das wird jetzt gefeiert.

Beide Feste feiern auf der Straße und in Hinterhöfen, bieten Musik, Theater und Infostände, fordern zur Diskussion auf und befriedigen Hunger und Durst. In der Schreinerstraße wird die Musik französisch, russisch und jamaikanisch sein, in der Liebigstraße gibt es Trommeln, Punk und HipHop. Der Krieg in Jugoslawien wird in der Liebigstraße das Hauptthema sein. Unter anderem werden politische Initiativen wie der Info-Laden Daneben ihre Arbeit vorstellen.

In der Schreinerstraße gibt es die Möglichkeit, auf Stadtführungen durch den Kiez mehr über den Fortgang der Sanierungsarbeiten zu erfahren oder in "Stadtwahrnehmungsspaziergängen", die vom Kulturhaus "Fabrik" in der Frankfurter Allee 53 (2. Hinterhof) ausgehen, den Kiez durch eine andere Brille zu betrachten, zum Beispiel durch eine "Blinde-Fleck-Brille". Hinterhof-Kino, Seifenkisten-Rennen und eine kleine Love-Parade sind geplant. In einem Erzählcafé kann man den Geschichten älterer Kiezbewohner lauschen oder selbst erzählen.

Nach den Feiern bleibt hoffentlich auch ein neuer Impuls, sich für die Belange der eigenen Umgebung aktiv einzusetzen, nicht nur mitzufeiern, sondern auch mitzugestalten. Wer auf beide Feste geht, wird vielleicht merken, daß Hausbesetzer-Sein und Normal-Sein sich nicht unbedingt widersprechen, sondern daß die Vision, die hinter beiden Festen steht, die gleiche ist. Die Wege sind nur anders und die Veranstaltungsorte getrennt.
Guido Rörick

Sa., 3. Juli 99, 14-22 Uhr: Straßenfest Liebigstraße, anschließend Feten im X-B-Liebig (nur Frauen), der Liebigstraße 17 und der Rigaer Str. 94
Sa., 10. Juli 99, 12-22 Uhr: Straßenfest Schreinerstraße, anschliesend Party im Hinterhof der Schreinerstraße 5

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  Ausgabe 06 - 1999