Ausgabe 06 - 1999berliner stadtzeitung
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Pack die Decke ein!

Die Freiluftkinosaison ist eröffnet

Die Kinoschließungen der vergangenen Monate sind Ergebnis des veränderten "Kräfteverhältnisses" auf dem Kinomarkt. Das klasssische Programmkino scheint passé, neben den Leinwandgiganten werden lediglich den engagierten "Independent-Cinemas" Überlebenschancen eingeräumt. Der nahende Sommer drängt die Problematik etwas in den Hintergrund - wer möchte nicht viel lieber mit einem Bier im Grünen sitzen, die Beine (oder alles) ausstrecken und endlich wieder Grillen statt Popkorn hören?

Aber selbst bei den Freiluftkinos hat es Veränderungen gegeben. Berlins Mitte ist ärmer an Leinwänden geworden. Daß die idyllische Klosterruine keine Projektoren mehr beherbergt, hängt mit der persönlichen Situation der Betreiber zusammen und ist also nicht das Ergebnis einer Verdrängung. Das nebenan gelegene Freinachtkino im Podewil bietet in diesem Sommer allerdings ebenfalls kein Programm. Schuld sind Unstimmigkeiten zwischen dem Betreiber Balazs-Kino, dem Podewil und dem gastronomischen Pächter. Die Streitigkeiten zogen sich über Monate hin, das Podewil sucht nun einen neuen Betreiber. Mehrere Kinos, u.a. das Blow Up, sind dafür im Gespräch. Für eine Bespielung in diesem Jahr ist es allerdings zu spät.

Etwas eher wurde der Betreiberwechsel beim Freiluftkino Friedrichshain (Landsberger Allee) entschieden. Der zweijährige Vertrag des bisherigen Betreibers Sputnikkino/Anna Kruse (die aber weiterhin das Freiluftkino Hasenheide unterhält) mit dem Kulturamt Friedrichshain war ausgelaufen. Als zweiter Bewerber kam die neugegründete Piffl Medien, deren Gesellschafter auch für den Ventura Filmverleih stehen, ins Gespräch. Das Piffl-Konzept überzeugte und in kurzer Zeit stand ein Programm, das sich sehen lassen kann. Neben den Selbstläufern wird im Friedrichshain auch Mut zur Vielfalt demonstriert. Wann immer möglich, wird das Programm mit einem Kurzfilm eingeleitet. Das Publikum bewertet die Kurzfilme und vergibt am Ende einen Preis. Etwas aus dem Open-Air-Rahmen fallen auch Frank Beyers "Jakob der Lügner" (22. Juni), "Rosa Luxemburg" (28. Juni), zum Hochzeitstag der Sommerfeld in Live-Begleitung "Panzerkreuzer Potemkin" (7. Juli) oder "Lolek und Boleks große Reise" (13. Juli). Das tägliche Programm läuft noch bis 5. September.

Ebenfalls ein neues Konzept präsentiert das Freiluftkino Kreuzberg (Mariannenplatz 2). Neben dem Filmprogramm gibt es PAAK. Heißt, daß man schon am Nachmittag kommen und sich mit Live-Musik, DJs, Moderationen und special events auf den Abend einstellen kann. Am 18. Juni z.B. läuft ab 15 Uhr Hacky Sack Shred-In (Foodbag European Masters 1999). Das Filmprogramm ist in thematische Blöcke aufgeteilt. Ab 24. Juni stehen Shakespeare-Verfilmungen auf dem Programm (zum CSD am 26. Juni Derek Jarmans "Edward II"), ab 1. Juli andere Literaturverfilmungen (u.a. Fassbinders "Effie Briest" am 5. Juli) und ab 8. Juli TURKISH DELIGHT - jüngere türkische Produktionen wie "Kurz und schmerzlos" (9. Juli) oder "Dealer" (13. Juli). Veranstalter sind wie in den letzten Jahren die Eiszeit-Betreiber und das Kunstamt Kreuzberg. Noch bis Ende August.

Einen Krimisommer veranstaltet das Acud-Kino (Veteranenstr. 21) im eigenen Hinterhof vom 2. bis 25. Juli unter dem Motto "Jäger und Gejagte". Die Mischung der Filme macht Spaß, so ist neben Kitanos "Hana Bi" (2.+4. Juli) und dem Krimi-Klassiker "Bonnie und Clyde" (9.+11. Juli) auch Richard Brooks Capote-Verfilmung "Kaltblütig" zu sehen. Alle Besucher nehmen an einer Verlosung von Berlin-Krimis teil.

Umsonst und draußen wie in jedem Jahr gibts Filme auf dem Hof der Kulturfabrik Lehrter Str. Zwar ohne thematischen Zusammenhang, aber recht unterschiedlicher Couleur. In der englischen Originalversion läuft Jacques Demys "The Model Shop" von 1968 (25. +26. Juni), von Demys Regiekollegen Godard wird "Alphaville" mit Eddie Constantine als Lemmy Caution gezeigt (3.+ 4. August) und der John-Huston-Klassiker "African Queen" am 13.+14. August.

Bleibt zu hoffen, daß das Wetter mitspielt und das Publikum seinen angestammten Plätzen treu bleibt. Welche Kinos sich dann im Herbst nach dem Sommerloch erneut ins Rennen werfen, bleibt abzuwarten.

Berit Wich-Heiter

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