Ausgabe 05 - 1999berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Kulturballung in den Sanierungsgebieten

Um festzustellen, daß Berlin-Mitte und hier vor allem die Spandauer Vorstadt ein kulturelles Zentrum der Stadt darstellt, braucht man keine wissenschaftliche Arbeit - ein Blick in den Veranstaltungsteil einer Zeitung genügt. Dennoch lohnt sich ein Blick in den Abschlußbericht "Kultur in Berlin Mitte", den das "Projekt Stadtkultur Mitte" im Auftrag des Kulturamtes jetzt fertig gestellt hat. Der Kulturbereich in Mitte ist nämlich zu einem Wirtschaftsfaktor von nicht zu unterschätzender Dimension geworden, so kann man hier lesen, der ein wirtschaftliches Entwicklungpotential für die Zukunft darstellen kann.

Rund 13.000 Beschäftigte, schätzt das Projekt auf Grundlage einer im Abschlußbericht dokumentierten Erhebung, sind in Mitte im Kulturbereich tätig. Ingesamt wurden hier zum Jahresende 1998 1119 kulturelle Einrichtungen erfasst. Der Kulturbegriff, der der Studie zugrunde liegt, ist freilich ein weit gefaßter. Zu den kulturellen Einrichtungen gehören hier Ateliers nämlich genauso wie handwerkliche Werkstätten und Künstlerbedarf-Fachgeschäfte. Das Dussmannsche "Kulturkaufhaus" wird genauso dazu gezählt wie die 35 Buchhandlungen und Antiquariate im Bezirk. Auch drei "wissenschafltiche Einrichtungen" sowie 95 Gaststätten, die kulturelle Angebote präsentieren, sind in der Studie erfaßt.

Die Gesamtzahl der erfaßten Einrichtungen stieg während der Dauer der Studie kontinuierlich - bei der ersten Erhebung, im April 1995 zählte das Projekt Stadtkultur lediglich 644 existente kulturelle Einrichtungen im Bezirk. Gleichzeitig schließen aber auch viele: bei Abschluß des Projektes waren 430 vorher erfaßte Einrichtungen geschlossen oder in einen anderen Bezirk umgesiedelt. Der kulturelle Bereich in Mitte ist also äußerst bewegt. Im Vergleich zur Jahresmitte 1997 zum Beispiel sind Ende 1998 deutlich weniger Ateliers registriert. "Zunehmend sind Künstler nicht mehr in der Lage, neben dem Wohnraum Ateliers zu bezahlen", heißt es dazu im Bericht. Deutlich gestiegen ist dagegen die Zahl von Produktionsstätten und Studios im Bereich Musik/Film/Fernsehen (von 29 auf 41) sowie der Verlage, Redaktionen und Zeitschriften (von 18 auf 29) "Mitte wird zum Medienstandort", heißt es dazu und: "Im Zusammenhang mit dem Umzug von Parlament und Regierung verstärkt sich dieser Trend."

Extrem gestiegen ist die Anzahl der Galerien. Zählte man Mitte 1997 noch 52, so waren es eineinhalb Jahre später bereits 90. Dabei sind vor allem Zuzüge bzw. Filialbildungen bereits existierender Galerien für den Anstieg verantwortlich. "Die Zuzüge sind insbesondere im Zusammenhang mit Großinvesitionen, Neubauten und Sanierungen zu sehen. Zunehmend gehören kulturelle Angebote und die Vermietung an Galerien und Aussteller als Zwischen- oder Endnutzer zum Marketing und Verwertungskonzept von Standorten/Immobilien."

Lokal sind die erfaßten Kultureinrichtungen höchst ungleichmäßig verteilt. 450 der 1119 Einrichtungen befinden sich im Statistischen Gebiet Spandauer Vorstadt - das sind 40,2% .Hier ballen sie sich vor allem in der Oranienburger und der Rosenthaler Straße, in denen jeweils 85 kulturelle Einrichtungen verzeichnet sind. Noch einmal 208 (18,6%) Einrichtungen finden sich im Statistischen Gebiet Oranienburger Vorstadt, zu dem auch das Sanierungsgebiet Rosenthaler Vorstadt gehört. In den beiden Sanierungsgebieten von Mitte sind mit 497 fast die Hälfte (44%) der kulturellen Einrichtungen des Bezirks Mitte konzentriert.

Diese Ballung verursacht freilich auch Verdrängungsprozesse. So heißt es im Bericht: "So sind z.B. in der Spandauer Vorstadt deutliche ,Aufwertungsprozesse« zu beobachten, die sich auch über Wandlungen der gewerblichen und kulturellen Infrastruktur vollziehen. Das ortsansässige und auf den Bevölkerungsbedarf gerichtete Gewerbe wird zahlenmäßig immer weniger, und die Zahl von städtischen Erlebnisanbietern im kulturellen und gewerblichen Bereich nimmt zu. Auch einige bezirkliche Einrichtungen und soziokulturelle Projekte, die für die Bewohner wichtig waren, sind inzwischen in andere Stadtgebiete gezogen.... Auch in der ,kulturellen Hochburg« Spandauer Vorstadt wird von Anwohnern das Fehlen von Kommunikationstreffpunkten und Treffs für Anwohner, insbesondere für Kinder und Jugendliche und ältere Bürger kritisiert."

cs

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