Ausgabe 05 - 1999berliner stadtzeitung
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Die Jugenstilfenster werden wohl bleiben - und die Mieter?

In der denkmalgeschützten Brunnenstraße 24 stehen Sanierungen ins Haus

Der Brunnenstraße 24, einem Einzeldenkmal in der Rosenthaler Vorstadt, ist ihre einstige Schönheit immer noch anzusehen: Klinkerfassade und Jugendstilfenster, schmiedeeiserne Beschläge an den Türen, ein alter Fahrstuhl. Unter dem Wandanstrich des Treppenhauses, weiß ein Mieter, verbergen sich Malereien: Vögel und Girlanden.

Der neue Eigentümer der Brunnenstraße 24 hat ein Händchen für schöne Häuser. Harm Müller-Spreer hat - neben vielen anderen Bauten in der Spandauer Vorstadt - auch schon das ehemalige Volkskaffeehaus in der Neuen Schönhauser Straße 13 erworben und saniert. Die Hauswartsfrau, die soeben die Graffitis in der Brunnenstraße 24 beseitigt, putzt auch in jenem Gebäude. Und sie weiß, daß Müller-Spreer die historische Substanz durchaus zu schätzen weiß. Sie könnte jenen Mieter beruhigen, der sich Sorgen macht, daß sich Müller-Spreer nicht wirklich um die Werterhaltung und den Denkmalschutz kümmert. Die Jugenstilscheiben werden wohl drinbleiben. Was man von den Mietern nicht mit Sicherheit sagen kann.

Im Hinterhaus befinden sich Gewerbeetagen, im Vorderhaus Wohnungen. Den Wohnmietern flatterten Mitte März plötzlich Modernisierungsankündigungen ins Haus. Und das, obwohl der Eigentümer ursprünglich nur eine Fassadeninstandsetzung und den Dachgeschoßausbau vornehmen wollte. Die Fassadeninstandsetzung wurde ihm auch schon genehmigt. Das Haus ist eingerüstet, im Hof türmen sich Gerüstteile neben rostigen Rohren und Heizkörpern. Die Mieter wundern sich nur, warum das Gerüst schon seit einem halben Jahr steht, aber immer noch nicht richtig fertig ist.

Nachdem sich Mieter bei der Mieterberatung BfsS gemeldet hatten, kam das Thema Brunnenstraße 24 auf die Tagesordnung der für das Sanierungsgebiet tagenden "Crash-Runde", die sich um "brennende" Fälle kümmert. Doch die Modernisierungsankündigungen, stellte sich heraus, sind nicht genehmigungsfähig. Da bisher seitens des Eigentümers noch kein Bauantrag für die Wohnungen eingereicht wurde, wurde eine mündliche Beauftragung an die Mieterberatung, die Mieter in der Anfangsphase zu betreuen, wieder zurückgezogen.

Kein Wort über Mietobergrenzen

Die Modernisierungsankündigungen sind zwar nicht genehmigungsfähig und die Mieterberatung rät den Mietern von einer Unterschrift ab, dennoch verraten sie einiges über Intentionen und Taktik eines Eigentümers. Zunächst fiel den Mietern auf, daß der Eigentümer - der ja inzwischen mit dem Sanierungsrecht bestens vertraut sein dürfte - es lässig, fast nachlässig an der erforderlichen Form fehlen ließ. Da wurden Etagen vertauscht, Mieter nicht vollständig angeschrieben, da wurde gebeten, "ein Exemplar der beiligenden Erklärung bis zum 5.1.1999 unterschrieben an uns zurückzusenden". Posteingangsdatum der Ankündigung: 11.3.1999.

Ferner sollte man annehmen, daß der Eigentümer nach jahrelangen Erfahrungen im Sanierungsgebiet schon einmal etwas von Mietobergrenzen gehört haben sollte. In den Ankündigungen findet sich jedoch kein Wort davon. Mehr noch: Auch Mieterberaterin Beate Tannhäuser bemängelt, daß keine konkrete Mietberechnung in den Ankündigungen vorgenommen wird, sondern lediglich die "umlagefähigen Modernisierungskosten" pro Quadratmeter angegeben wurden: Das sind 5,43 DM. Für eine Wohnung von 120 qm würde sich eine Mieterhöhung von über 650 Mark ergeben. Rechnet man diese zu den jetzigen Mieten hinzu, ergeben sich Mieten nach Sanierung, die über den derzeitigen Mietobergrenzen für die Rosenthaler Vorstadt liegen.

Eine Mieterin schaut sich deshalb schon nach einer anderen Wohnung um: Die Miete, die der Eigentümer ihr damit in Aussicht stellt, könnte sie einfach nicht bezahlen. Sie hat Müller-Spreer nach einem Umsetzschein gefragt. Die Idee fand er nicht so gut: Dann könne ja das Bezirksamt Belegungsrechte für die freigewordene Wohnung beanspruchen. Und da müsse er dann Mieter reinnehmen, die ihm möglicherweise nicht passen. "Irgendwelche Assis", zitiert ihn die Mieterin. Um eine Wohnung für sie hat er sich bisher nicht bemüht.

Modernisierung - oder Instandsetzung?

Aber auch andere Unstimmigkeiten fallen in der Ankündigung auf. Zum ersten, daß der nicht sehr große Umfang der Maßnahmen in keinem Verhältnis zu den Modernisierungsumlagen steht. Das kommt dadurch zustande, daß eigentliche (nicht umlagefähige) Instandsetzungen - die auch im Textteil als solche benannt sind - im Berechnungsteil plötzlich als Modernisierungskosten auftauchen, und die sind mit 11% auf die Miete umzulegen. Beispiel Fahrstuhl: Im Textteil ist noch zu lesen: "Der vorhandene Aufzug wird instandgesetzt." Im Berechnungsteil ist der Fahrstuhl dann zu 100% unter Modernisierung verzeichnet - und schlägt insgesamt mit immerhin 197.509,64 DM zu Buche.

Der Fahrstuhl dürfte ohnehin zum Streitfall werden: Denn das gute Stück ist schon lange nicht mehr in Betrieb. Nach Meinung der Anwältin der Mieterberatung könnte er deshalb unter Umständen als Modernisierungsmaßnahme durchgehen. Das könnte jedoch anders aussehen, wenn er in alten Mietverträgen der Mieter verzeichnet ist - oder auch nach Meinung von Beate Tannhäuser, wenn er unter Denkmalschutz steht.

Auch Elektroinstallationen in Wohnungen und im Gebäude verkauft der Eigentümer zu einem großen Teil als Modernisierung. Und wozu, so eine Mieterin, soll sie nochmals Sanitärinstallationen vornehmen lassen, die schon vorhanden sind?

Solche Ungereimtheiten ließen sich noch weiter aufzählen. Es sind aber auch kleine Dinge, die den Mietern auffallen. Da wäre das unfertige Gerüst, das ihnen seit Monaten vor den Fenstern steht. Mal kommt einer die Wasseruhr ablesen, obwohl es keine Wasseruhr gibt. Dann wird das Wasser abgestellt zu einer Zeit, wo laut Ankündigung eigentlich der Strom abgestellt wurde. "Man weiß nicht, ob das Schlampigkeit ist, Zufall - oder eben Spielchen", kommentiert ein Mieter. Eine andere fragt: "Und was mache ich, wenn am Wochenende plötzlich kein Strom da ist?"

Nichtsdestotrotz ist nun erst einmal der Eigentümer in der Pflicht. Er muß bei der Sanierungsverwaltung einen Bauantrag auf Wohnungssanierung stellen. Dann wird auch der Denkmalschutz noch ein Wörtchen mitzureden haben, der bisher nur über die Fassadensanierung und den geplanten Dachgeschoßausbau informiert war.

Ulrike Steglich

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