Offener Brief

Sehr geehrter Herr Innensenator Eckart Werthebach, sehr geehrter Herr Polizeipräsident Hagen Saberschinsky,

mindestens neun Journalisten und Fotografen sind am Samstag, den 1. Mai 1999 am Rande der sogenannten Revolutionären 1.-Mai-Demonstration in Berlin-Kreuzberg Opfer polizeilicher Übergriffe geworden.

In allen namentlich bekannten Fällen gaben sich die Kollegen den Beamten eindeutig als Pressevertreter zu erkennen, die ihrer Arbeit nachgingen. Trotzdem wurden wir Unterzeichner teilweise brutalst mit Schlagstöcken attackiert oder auch festgenommen. Kameras, Handys und andere Ausrüstungsgeräte wurden zum Teil schwer beschädigt oder gingen bei den Übergriffen verloren. Das Vorgehen der Einsatzkräfte erweckte leider in keinster Weise den Eindruck, daß wir ausschließlich aus Versehen "etwas abbekamen". Wir protestieren daher aufs schärfste gegen die Übergriffe von Polizisten gegen uns und Kollegen. Wir fordern die Polizei auf, die verantwortlichen Beamten zu Rechenschaft zu ziehen, die verursachten physischen und materiellen Schäden zu bereinigen und solche Eskalation künftig zu verhindern.

Wir sind der Meinung, daß die Öffentlichkeit das uneingeschränkte Recht hat, über Ereignisse wie der besagten Demonstration unabhängig politischer Anschauungen authentisch und glaubwürdig informiert zu werden. Dazu sind für uns Journalisten Information aus erster Hand unverzichtbar. Polizeiliche Übergriffe auf Journalisten als unmittelbare Vertreter dieser Öffentlichkeit verstoßen gegen gesetzlich verankerte Grundrechte, sind somit in keinem Fall hinnehmbar. Wir fordern die Verantwortlichen nachdrücklich auf, sich für die Aufklärung der Ereignisse einzusetzen.

In Hoffnung auf eine positive Resonanz,

Tobias von Heymann, David Heerde (Berliner Kurier) Harald Chr. Neuber (Tageszeitung Junge Welt) Thomas Heise, Rainer März, Marc Sill (Spiegel TV) Sergej Glanze (Tageszeitung Die Welt) Claudio und Marco Fragasso (Freie Fotografen, Stern)