Ausgabe 04 - 1999berliner stadtzeitung
scheinschlag

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"Ich bin deßhalb noch kein Faßißt, daß ißt einfach ßo"

Das Eszett Das gelispelte "S", auch "Sch", SpĒ, "St", "Z" und so fort wird typographisch dargestellt durch das "ß"und für schärfere, schnellere Aussprache durch das "ßß". Einerseits bleibt der Text leidlich leserlich, Versuche mit phonetischen Zeichen, "sz", "f" oder neu gezeichneten Zeichen erwiesen sich als zu entstellend und leseunfreundlich, andererseits hat der Verlag noch einmal recht viele "ß" setzen können, bevor die Rechtschreibreform in der Letternlandschaft rodet und Zwietracht und Zwieesse sät.

(Musik laut,leiser) Eß ißt ja jeßt alleß anderß alß früher. Und eß war nicht alleß ßlecht, daß wäre übertrieben. ßicher, mancheß war ßlimm, gerade in der Gaßtronomie. Eß ißt ja auch eine diffißile Branche. Eß liegt halt nicht jedem, nicht nur ein Beruf, eß ißt auch immer Berufung. Eß war ja früher ßum Beißpiel rußßiß die ßprache, die man lernen mußßte. Eß gab keine Außwahl, daßß man ßagen konnte, nein, ßpaniß ißt mir lieber, oder ßerbokroatiß. Ich mochte rußßiß nicht, obwohl ich immer noch viel weiß. ßum Beißpiel Doßtaprimetßatßjelnoßti. Aber gemocht habe ich eß nicht. Eß ißt doch eine ganß andere Kultur, daß ganße ßlawiße ja. Ich bin deßhalb noch kein Faßißt, daß ißt einfach ßo.

Eß gibt die deutße Kultur, die ißt halt mehr ßo gotiß. Dann gibt eß die franßößiße, die ißt mehr romaniß, die rumäniße auch. Und Rußßland ißt ßlawiß, da kann mir niemand wiederßprechen. Und waß hier die ßmackhafte ßweinßkopfßülße ißt, daß ißt da die Borßt. Eine ßauerkrautßuppe, ßo ähnlich wie ßoljanka. Aber ich habe mich nie richtig anfreunden können mit der rußßißen ßprache. ßie macht eß einem auch nicht leicht.

Da gibt eß ja allein fünf verßiedene ßiß-Laute: ße, wie in Garaße, ßt, wie in ßtopp, ß wie in ßule, dann daß ßßß, daß gibt eß im deutßen gar nicht. Alßo da kann ich nur vormachen, wie eß geßprochen wird: ßßß. Und noch ein paar. Im Polnißen daß ßelbe, ßehr viele ßißlaute. Auch im Tßechißen, in allen ßlawißen ßprachen. Ich meine eß nicht herablaßßend, aber eß ißt nun mal ßo, daßß daß deutße viel weniger ßißlaute hat. Und wenn dann meißt in Fremdwörtern. Oder bei Politikern. Ich maß mir da kein Urteil an, ob er wirklich ßo ein ßlächter ißt, der Miloßewitß. Eß ißt ja überhaupt ßlimm, der ganße Balkan. ßlawiß halt, deßhalb hieß er ja früher Jugoßlawien. Jetßt heißt er ßerbien, Boßnien, Koßovo, ßarajewo. Da gibt eß viele ßehenßwürdigkeiten, Doßtaprimetßatßjelnoßti heißen die auf rußßiß. Wenn da erßt der Krieg vorbei ißt, dann geht auch der Tourißmuß wieder. Meine Berufßerfahrung ßagt mir, Tourißmuß und Gaßtronomie gehen Hand in Hand.

Politiß bin ich nicht intereßßiert, aber der Miloßewitß ißt mir unßympatiß. Eß gibt einige Politiker, die mir unßympathiß ßind. ßußnigg, der ößterreichiße Kanßler. Chrußtßov, Graf ßenk von ßtauffenberg, Hanß-Dietrich Genßer, Chrißtian ßwartß-ßilling, Eduard ßewardnatße, Joßka Fißer. Ich hab ßie nicht kennengelernt, aber wie ßollte man die mit ßo hervorragenden Politikern wie Mahatma Gandhi, Helmut Kohl, Konrad Adenauer, Bill Clinton vergleichen. Daß ßind einfach Klaßßenunterßiede.

ßwarß-Afrika, daß mag ich auch nicht. Da gibt eß ßprachen, die beßtehen nur auß ßnalßlauten. Ich meine, für die da mag daß gehen, aber hier? Wenn ich mir daß vorßtelle, (versucht zu schnalzen), nein, wie hört ßich denn daß an? ßnalßlaute ßind doch eine ßutat einer ßprache, und nicht daß Hauptgericht, um eß mal ßo bildlich ßu ßagen.

Eß ißt immer Geßmackßßache, aber daß ßlawiße ißt nichtß für mich. Obwohl, vermutlich werde ich eß noch auf meinem ßterbebett wißßen: Doßtaprimetßatßjelnoßti.

(Musik laut)

ENDE

Aus: Falko Hennig, Gastronomie in der Krise. Kellnerstücke. 64 Seiten, handgeheftet, fester Einband, Hanfpapierbezug. Verlag P. Wilson, Berlin. Bezug über den Autor: Tel. 030-4483506

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  Ausgabe 04 - 1999