Ausgabe 04 - 1999berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Kinder fragen: Warum ist jetzt Krieg ?

Zunächst einige Worte an den jungen Mann aus der Leserschaft, der behaupet hat, ihn interessiere der Krieg nicht, ihn gehe der Krieg nichts an: Wenn Du in einigen Wochen in Mitte oder Prenzlauer Berg in deinem Straßencafé in der Sonne sitzt und mit Deinem Handy masturbierst, dann werden dort die Bettlerkinder sein, dann hat der Krieg auch Dich erreicht.

Doch nun, liebe Kinder: Mit diesem Artikel möchte ich Euch erklären, warum jetzt Krieg ist. (Wenn ihr Fragen zu diesem Artikel habt, fragt einen Erwachsenen, notfalls fragt mich: hans.duschke@prenzl.net. Und schreibt auch Eure eigene Meinung auf.)

Bei mir im Haus wohnt im Hinterhaus ein Jugoslawe. 3. Stock. Er heißt Dragan Drascovic und schlägt seine Frau. Das ist eine Propagandalüge, sagt Dragan, doch kleinlaut bestätigt es die albanische Frau. Die hat hier gar nichts zu sagen, in seiner Wohnung, wir sollten uns gefälligst nicht einmischen; und schlägt uns die Tür vor der Nase zu.

Wir sitzen in der belgischen Konditore - Norbert, Anton, Thomas und ich (ich heiße Otto, man nennt uns NATO) - und überlegen, was zu tun ist. Norbert hat sie gesehen, verheult und mit einem blauen Auge, auf dem Weg zu den Mülltonnen. Wir nennen das eine humanitäre Katastrophe und drohen einzugreifen. Geklingelt haben wir bei ihm, Zettel in den Briefkasten gesteckt, versucht Eheberater zu spielen und haben ihm ein Ultimatum gestellt. Es hat alles nichts genutzt.

Ihn an der Tür zu einer Schlägerei zu bitten, das haben wir uns nicht getraut. Wir begannen - vor drei Wochen schon war das -, Steine in sein Wohnzimmerfenster zu werfen, zu nächtlicher Stunde. Wir sagten, wir würden solange weitermachen, bis er aufhört, seine Frau zu schlagen.

Dragan begann nun erst recht, seine Frau zu schlagen und warf sie vor zwei Woche aus der Wohnung raus. In Hausschuhen, ohne Geld und Papiere. Jetzt hockt sie in dem alten Schuppen, ohne Wasser, ohne Strom und pinkelt hinter die Müllcontainer. Frau Nilsson aus dem Vorderhaus hat ihr eine alte Wolldecke geschenkt; einen Gaskocher haben wir ihr geliehen.

Wir treffen uns jeden Abend in der Pizzeria Bella Italia und ziehen dann los und werfen Steine in Dragans Wohnzimmerfenster und werden unsere Angriffe nun auf sein Badezimmerfenster ausdehnen, obwohl er gesagt hat, er rührt sie nicht mehr an. Das ist nicht ausreichend.

Eine vertrakte Situation. Janka, Dragans Frau, möchte zurück in ihre Wohnung, die immer kaputter wird, fürchtet sich aber vor der Wut ihres Mannes - und wir?, wir können doch keine Wache in ihrer Küche aufstellen (oder im Schlafzimmer), wir haben schließlich auch noch was anderes zu tun.

Jetzt sagen einige aus dem Seitenflügel: Steine in anderer Leute Wohnungen reinzuwerfen, das sei nicht durch den Mietvertrag gedeckt. Doch wir sagen: Das ist uns ganz egal. Wir sind eine Hausgemeinschaft. In einer Hausgemeinschaft hat man sich an gewisse Regeln zu halten. Die Regeln bestimmen wir. Darum ist jetzt Krieg. Und wenn wir einfach aufhören würden, dann hätten wir doch verloren.

Kannst Du das verstehen?
Hans Duschke

Leserbrief zu scheinschlag 2/99

Lieber hd (ich nehme doch scharf an: Hans Duschke)! Das lesen wir aber gar nicht gerne, hier so klanglos abzusingen (na gut, der Nietzsche kam nicht schlecht). Erst kommt der Scheinschlag nur noch jede vierte Nase lang, und nun raubt man uns noch die Freude auf der dritten Seite! Und das nur wegen ein bißchen Arbeit Ñ als müßten wir uns nicht alle in irgendeiner Form mit diesem Phänomen herumschlagen. Also bitte, hd, ran an den Puls des Lebens und eine Kolumne geschrieben. Was ist eigentlich mit bb (Brigitte Bardot? Bert Brecht? Bug Berg?) Ñ hat der auch Arbeit gefunden? Bei der Arbeit, mha

Der Beweis: Leserbriefschreiben hat Erfolg. Scheinschlag setzt sich für seine engagierten Leser ein: siehe oben.

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