Ausgabe 03 - 1999berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Flagge zeigen im Kulturcafé -49-89-99 andersherum.

Die "Kulturinitiative ´89" setzt Gegengewichte zur offiziellen Geschichtsinterpretation

Sie werden sich versammeln, die Bescheidwisser und Interpretationsartisten, die professoralen Besser(ver)diener, die erst-, zweit-, dritt- und trotz alledem minderbemittelten Deutungsmonopolisten. Die Bundeszentrale für politische Bildung organisiert und lädt ein, und alle, alle kommen; aus dem Bundesgebiet, aus allen historisierenden und politisierenden Fakultäten und Instituten zur Geschichtswerkstatt 49-89-99. Wolfgang Thierse, früher auch ein Mensch wie du und ich, zottelbärtiger Ost-Kumpeltyp von um die Ecke, wird im Preußischen Landtag mit weihevollen Worten eröffnen. Er wird aller Voraussicht nach systemnächst über Demokratie und Diktatur Bescheid geben und sich bemühen, dabei intelligent dreinzuschauen. Ex-Kanzler, SED-Unrechtsforscher, Täter-Opfer-Spezialisten werden wie seit Jahr und Tag abgehoben und wirklichkeitsfern genug einmal mehr den westdeutschen Gruselkonsumenten sowie dem staunenden deutschen Michel (Ost) eine DDR vorführen, die es nie gegeben hat. Daß alles wird, wie es bleibt: Die Diäten, die Honorare, Aufträge wie sonstigen Zuwendungen für die schlaubergerischen "Beweis"-Künstler aus der rechtesten Mitte, die es je gab. Aber auch Christa Wolf, Christoph Hein, Toni Krahl und einige andere, denen noch Realitätssinn, Erinnerungsvermögen und eine Minderheitsmeinung zuzutrauen sind, sind geladen oder angefragt. Es könnte also punktuell auch interessant werden.

Am Rande des großen Promi-Bahnhofs und doch mittendrin, wird die Kulturinitiative `89, eine der letzten noch arbeitenden originären Wende-Institutionen, für zwei hoffentlich sonnige Tage ein Kulturcafé mit Bühne für Künstler und Tribüne für sonstige Selbstdarsteller und -behaupter der Berliner Kultur-szene veranstalten. In dem es auch darum gehen soll, die höchstdotierten und hochoffiziellen Märchen zu ignorieren, da zu sein und zu bleiben ("Wir bleiben hier!"), trotz alledem, ein wenig Spaß zu haben und Flagge zu zeigen. Wiglaf Droste und Mathias Wedel haben ihre Teilnahme zugesagt. Wie es aber genau wird, und was es eigentlich wird, weiß noch niemand. Medien werden sicher präsenter als präsent sein. Die Szene Berlin-Mitte könnte es auch. Sie ist herzlich eingeladen. Ein kleines Budget ist bereits vorhanden mit Hoffnung auf ein etwas größeres.


J.E.

Die Veranstaltung findet am 29. und 30. Mai im Innenhof der Humboldt-Universität statt. Ideen, Vorschläge und Wünsche können bei J. Eger, fon 033056-966 55, abgegeben werden.


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  Ausgabe 03 - 1999