Ausgabe 02 - 1999berliner stadtzeitung
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Wiederbelebung durch City-Management

Förderverein für den "Erlebnisraum" Karl-Marx-Allee gegründet

Der ehemalige sozialistische Boulevard Karl-Marx-Allee tut sich schwer in der Marktwirtschaft. Viele der einst renommierten Läden und Gaststätten stehen heute leer. Zwar sind die in den frühen fünfziger Jahren gebauten Blöcke der ehemaligen Stalinallee schon weitgehend renoviert, doch Urbanität drückt sich hier allenfalls durch überbordenden Autoverkehr aus.

Das Scheitern der bisherigen Belebungsversuche der Karl-Marx-Allee wurde hauptsächlich den Restriktionen des Denkmalschutzes und den fehlenden Parkplätzen in die Schuhe geschoben - fälschlicherweise, wie die Friedrichshainer Baustadträtin Martina Albinus-Kloss meint. Spätestens seitdem die neuen Tiefgaragen am Kino Kosmos und an der Kreuzung mit der Straße der Pariser Kommune eröffnet wurden, zielt das Parkplatzargument ins Leere - die Tiefgaragen sind nämlich die meiste Zeit nur spärlich gefüllt. Überhaupt sei die Karl-Marx-Allee vorwiegend eine Wohnstraße und die Verkehrsanbindung mit der U-Bahnlinie 5 ideal.

Zur Wiederbelebung der Straße hat sich am 28. Januar der Förderverein Karl-Marx-Allee e.V. gegründet, der eine gemeinsame Basis für die Zusammenarbeit unterschiedlicher Interessengruppen sein soll. Vereinsmitglieder sind sowohl Ladeninhaber als auch Immobilienunternehmer und Bezirksamtsvertreter. Wohnungmieter fehlen allerdings noch. Der Vereinsvorsitzende Jochen Wawersik beschwört die städtebauliche Relevanz der Allee, in der die "Neue Mitte" eine wesentliche Fortsetzung finde. Zur Revitalisierung sei ein geduldiges und langfristiges Bemühen, guter Wille, Erfahrung und Engagement, nicht zuletzt aber die Unterstützung des Bezirksamts nötig, beispielsweise um an Fördergelder heranzukommen.

Konzept des Vereins ist die Bündelung und der Ausgleich der verschiedenen Interessen, so der stellvertretende Vorsitzende Erich Kundel, Geschäftsführer der Karl-Marx-Buchhandlung. Mit dieser Aufgabe soll ein "City-Manager" betraut werden. Für eine solche Stelle hat das Bezirksamt Friedrichshain beim Wirtschaftssenator 200000 Mark für drei Jahre beantragt. In Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt (Public Private Partnership) will dann der Förderverein am Frankfurter Tor das Vor-Ort-Büro des "City-Managers" einrichten, das ganz unbescheiden "Info-Box" genannt wird.

Das klingt alles furchtbar zeitgemäß und innovativ, doch die bisherigen Ideen, die zur Attraktivitätssteigerung beitragen sollen, können wohl kaum jemanden vom Stuhl reißen: Der öffentliche Raum soll gestalterisch aufgewertet und verschönert werden, wobei ein einheitliches "Corporate Design" zur Anwendung kommen soll. Märkte, Feste und Events sollen die Karl-Marx-Allee zum "Erlebnisraum" machen.

Über das übliche Maßnahmenspektrum der Wirtschaftsförderung geht das Programm kaum hinaus. An das zentrale Thema Gewerbemieten traut man sich nur vorsichtig heran: Nach einer gründlichen Analyse aller bekannten Studien will man ein "Perspektivmaterial" zu Gewerbemieten und Gewerbemix auf der Karl-Marx-Allee erarbeiten.
Jens Sethmann

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