Ausgabe 02 - 1999berliner stadtzeitung
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Sanierung für die Platte?

In der Spandauer Vorstadt wurde bislang noch keine einzige Plattenbauwohnung saniert - das Förderprogramm für Plattenbausanierungen soll nun verändert neu aufgelegt werden.

Fünf Jahre Sanierungsgebiet Spandauer Vorstadt - das war für das Koordinationsbüro des Sanierungsbeauftragten Anlaß genug, um Bilanz der bisherigen Erneuerung zu ziehen. Ergebnis Nr. 1 war nicht so überraschend, spaziert man durch das Gebiet und schaut sich die Fassaden an: Über 50% des Altbauwohnungsbestandes wurden schon saniert. Kein Wunder, denn die Ecke ist bei Investoren beliebt. Ergebnis Nr. 2 allerdings war eine Überraschung: von 622 Plattenbauwohneinheiten im Sanierungsgebiet wurde bisher keine einzige saniert.

"Kein erhöhter Bedarf, sofort zu sanieren"

Man vergißt sie oft, wenn man über das Sanierungsgebiet spricht: Dennoch gibt es einige der oft ungeliebten "Platten" in der Spandauer Vorstadt: An der Rosenthaler, der Linien-, August- oder der Münzstraße und am Koppenplatz wurden in den 80ern Baulücken auf diese Art geschlossen. Die meist fünfstöckigen Gebäude gehören zum Bestand der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM).

Und auch in diesem und in den nächsten Jahren, so die Sprecherin der WBM, Birgit Stötzer, seien die Häuser "nicht dran". Hier bestehe "kein erhöhter Bedarf, sofort zu sanieren". Der Konzern WBM, der den Verkauf seines Altbaubestandes auch damit begründet, dringend Geld für die Sanierung der Plattenbauten zu benötigen, sieht den Schwerpunkt der Sanierung vor allem bei den Platten der 60er und 70er Jahre, auf der Fischerinsel beispielsweise.

Denn die Gebäude der 80er, so Stötzer, sind nicht nur etwas jünger und von besserem Standard, sondern auch mit Dreischichtenplatten errichtet, was die sonst üblichen Wärmedämmungsmaßnahmen erübrige. Bei Sanierungen würden die Fassaden deshalb teilweise "nur angemalt". Mit einigen der Bauten hat die WBM dabei durchaus Sanierungserfahrung: Häuser, die im Rahmen des Altschuldenhilfegesetzes veräußert wurden, wurden vor dem Verkauf durch die WBM saniert. Dazu gehörten nicht nur Fassadenarbeiten, sondern auch Maßnahmen an Bädern, Küchen, Heizungen, Fenstern, Treppenhäusern und Strängen. Jedoch liegen diese Gebäude außerhalb des Sanierungsgebiets, in der Almstadt- und der Max-Beer-Straße.

Die Sache mit dem Erneuerungsbedarf sehen einige der Bewohner allerdings ein wenig anders als die WBM. Zum Beispiel Joachim Zeller. Zeller ist nicht nur Plattenbaubewohner, sondern auch Bezirksbürgermeister und als solcher Mitglied des Aufsichtsrates der WBM. Das nützt ihm in der Sache aber wenig. Zeller klagt - wie andere Bewohner auch - daß in Treppenhäusern und Wohnungen jahrelang nichts gemacht worden sei, Strangsanierungen dringend notwendig wären wie etliche andere Maßnahmen auch. Kommt ein weiteres Problem hinzu, das jedoch nicht mittespezifisch ist: Mieter ziehen weg, Wohnungen bleiben leer.

Das Förderprogramm für Plattenbauten

Dem finanziellen Problem der WBM könnte zumindest teilweise Abhilfe verschafft werden, denn die Senatsverwaltung will die Förderung der Sanierung von "industriell gefertigten Wohngebäuden im Ostteil Berlins" von 1994 neu auflegen. Diese Förderrichtlinien waren zum 31.12.1996 außer Kraft getreten. Förderbar durch die Investitionsbank Berlin (IBB) waren demnach die "zum Erhalt und zur Gewährleistung der Vermietbarkeit kurz- und mittelfristig erforderlichen Grundinstandsetzungen und Grundmodernisierungen", insbesondere auch "erforderliche Maßnahmen zur Beseitigung erheblicher Schäden an Dächern, Außenwänden, Elektro-, Gas-, Wasser- und Sanitärinstallationen, Fenstern, Hausfluren und Treppenhäusern". Zum Beispiel die malermäßige Instandsetzung von Treppenhäusern, Einbau von Wasserzählern und wassersparenden Armaturen, aber auch bauliche Verbesserungen für Senioren und Behinderte - wie Einbau von Haltegriffen oder Notrufanlagen - gehörten zu den förderungsfähigen Maßnahmen. Zusätzlich zu Grundinstandsetzung und -modernisierung können auch Verbesserungen der "Gestaltung und Erschließung von Wohngebäuden" gefördert werden. Dazu gehören zum Beispiel die Gestaltung der Eingangsbereiche, Giebelwände und Balkon- bzw. Loggienreihen.

Sofern mit der Grundinstandsetzung und -modernisierung die bereitgestellten Mittel noch nicht ausgeschöpft sind, können in dem verbleibenden Kostenrahmen zusätzlich energiesparende Maßnahmen durchgeführt werden.

Handelt es sich um mietumlagefähige Modernisierungsmaßnahmen, ist dafür grundsätzlich die Zustimmung des Mieters erforderlich, bzw. der Mehrheit der Mieter, wenn es sich um Maßnahmen handelt, die das gesamte Haus betreffen. Geförderte Wohnungen, so schreiben die Richtlinien desweiteren vor, dürfen ohne Zustimmung des Landes Berlin nicht veräußert werden.

Fördern ohne Belegungsbindung?

Derzeit wird an der Neufassung der Richtlinien gearbeitet. Im Entwurf wird diskutiert, daß Baukosten zwischen 900 und 1800 DM/qm gefördert werden sollen. Bereits getätigte Investitionen wären auf die förderfähigen Baukosten anrechenbar. Ferner soll laut Entwurf die Förderung über Aufwendungszuschüsse in Höhe von 5,5% der förderfähigen Baukosten erfolgen, jedoch nicht mehr als 4 DM/qm monatlich betragen.

Neu wäre allerdings auch, daß keine spezifischen Mietpreis- und Belegungsbindungen mehr existierten. Die 94er Fassung schrieb vor, daß nach dem Ende der Mietpreisbindung die ortsübliche Vergleichsmiete verlangt werden solle, orientiert am Mittelwert des entsprechenden Feldes des Mietspiegels. Außerdem waren mindestens 50% der Wohnungen belegungsgebunden, das heißt, an Wohnungssuchende mit Wohnberechtigungsschein zu vergeben. Vorrangig zu berücksichtigen seien dabei "von Umsetzungen oder Zwischenumsetzungen betroffene Mieter anderer Sanierungsgebiete". Nach diesem Prinzip ist bisher generell auch die WBM verfahren: Wohnungen mit ungeraden Wohnungsnummern sind belegungsgebunden und dürfen nur an Mieter mit WBS vermietet werden, die Wohnungen mit geraden Wohnungsnummern können auch anderweitig vergeben werden. Sollte die Belegungsbindung tatsächlich in den neuen Förderrichtlinien zur Plattenbausanierung wegfallen, hätten nicht nur die Bezirke künftig schlechte Karten bei der Unterbringung sanierungsbetroffener Mieter. Treffen würde es vor allem Leute mit niedrigen Einkommen, die dann wohl kaum noch eine Chance auf eine sanierte Plattenbauwohnung des kommunalen Bestandes hätten.
Ulrike Steglich

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