Ausgabe 24 - 1998berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Mit Gerhard Schröder ins neue Jahrtausend?

Zu einem Advent gehört ein Adventsbesäufnis in geselliger Runde. So auch im Haus der Familie Duschke. In Westberlin würde man Gesellschaftsspiele spielen, hier im Osten sitzt man noch zusammen und redet miteinander. Schön einerseits, doch andererseits verhalten sich die Ossis ein wenig wie die Skandinavier, die in meiner Heimat wegen ihres Trinkverhaltens "unsere vierbeinigen Freunde" genannt werden. Seit meiner Pubertät hab ich nicht mehr so gesoffen.

Ein befreundeter Fotograf und Künstler, Freiberufler aus dem Prenzlauer Berg berichtet von seinem Dante-Projekt. Dante, ob ich von dem schon mal gehört habe? Die göttliche Komödie? Nicht wirklich, sag ich. Der hat Himmel und Hölle erfunden; bzw. unsere Vorstellung davon. Aha.

Es ist derselbe Künstler, der seit Wochen mit der mongolischen Botschaft in Verbindung steht und sie dabei unterstützt, Sauriereier in Berlin zu verkaufen. Tauend Mark ein Ei, auch ganze Gerippe sind im Angebot, die sind dann aber teurer. Die Mongolei ist ein armes Land, sie bietet ihre Saurier wie Sauerbier auf dem Weltmarkt an, und darum haben sie sich auch nur so einen windigen Berater leisten können, wie es der obenerwähnte Freund ist. Der mit dem Dante-Projekt. Ich nenn ihn Klaus.

Wieso Dante?, frage ich. Er sagt: "Das ist doch klar, das ist wegen dem... (und meine Lebenserfahrung sagt mir: In 90% aller Fälle, wenn jemand sagt "Das ist doch klar" folgt direkt im Anschluß der unklare Teil seines Arguments.) "Ist doch klar, das ist wegen dem Jahrtausendwechsel."

Der Jahrtausendwechsel: Logisch, daß man von dem noch mal hören würde. Und, als hätte ich es geahnt, das Wassermannzeitalter wird auch noch erwähnt. (This is the dawning of the age of Aquarius.)

Mir dagegen scheint bemerkenswerter, daß ich zum ersten Mal jemanden kenne, der für die Regierung arbeitet. Und für eine fremde noch dazu. Für den Ostberliner ist das normal: er kann sich noch erinnern: Hauptstadt, wie das war. Wer, wie ich, auf der anderen Seite der Mauer gewohnt hat, damals, in der größten offenen Psychiatrie der Welt, der hofft, daß, wenn endlich Hauptstadt ist, sein Größenwahn das Krankhafte verliert.

Doch ich schwafle ab, bzw. mache mir Gedanken, dabei sollte ich doch endlich auch mal was zur Unterhaltung beitragen. Unsere Zukunft, sag ich also, das ist Gerhard Schröder. Arbeit für alle. Bei mir hats schon geklappt. Davon will ich gar nicht reden und schneide noch ein anderes Thema an: Der Papst hat festgestellt: Wer zur Jahrtausendwende das Rauchen oder Trinken aufgibt, verkürzt damit die Zeit, die er oder sie im Fegefeuer verbringen muß. Ist das noch mittelalterlich oder ist das schon wieder modern? Oder die Moderne mittelalterlich oder das Mittelalter modern? Noch son Thema, was den Ossi brennend interessiert; Esoterik, Sterndeuterei und Kartenlegen: ja: das findet er spannend, aber Religion...

Nur in einem sind wir uns dann doch überraschend einig: "Wann kommt endlich, endlich die Regierung!" ist unser täglicher Stoßseufzer angesichts der sog. "Berliner Misere". "Der Fisch stinkt vom Kopfe her", schreiben wir in hilfloser Wut auf Fotografien unserer Landespolitiker; unfreundliche Kellner bekommen keinen Pfennig Trinkgeld; zweimal in der Woche stehen wir am Rosenthaler Platz und lachen laut über alle Fußgänger, die bei Rot noch stehen. Das ist unser Protest. (Und was tust du?) Noch einmal kommt Erregung auf an diesem Adventsabend.

Na, das is ja bald vorbei, sagt meine Frau, wenn du erst mal 40 Stunden arbeitest, und sie tätschelt meinen Arm. Daß die Arbeit mir gut tun werde, davon ist sie überzeugt. (Außerdem mästet sie mich)

Hans Duschke

Bov Bjerg weiß,wie die Geschichte ausging: Duschke geht schlafen und träumt davon, was er sich alles kaufen wird. Seine Frau aber ist aus dem Osten, die muß noch weiter trinken.