Ausgabe 22 - 1998berliner stadtzeitung
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Vertreibung trotz Mietobergrenzen?

Der Bezirk Prenzlauer Berg hat die Auswirkungen der freifinanzierten Wohnungsmodernisierungen auf die Mieter und die Mietentwicklung in den Sanierungsgebieten untersucht. Nachdem dort Mitte 1995 Mietobergrenzen festgelegt wurden, die eine Verdrängung der Bewohner verhindern sollen, wurden etwa 2500 Wohnungen in 192 Häusern privat modernisiert, also ohne öffentliche Fördergelder in Anspruch zu nehmen. Nach der schriftlichen Befragung aller betroffenen Haushalte wurden kürzlich die Ergebnisse vorgestellt.

Entgegen anderslautender Befürchtungen haben die Mietobergrenzen, an die die Genehmigung einer Modernisierung geknüpft ist, nicht dazu geführt, daß die Sanierung insgesamt verhindert wird.

Von den heutigen Mietern haben gut die Hälfte auch vor der Sanierung in den Häusern gewohnt. Von der anderen Seite betrachtet, wohnen fast die Hälfte der Bewohner nach der Privatmodernisierung woanders. Zum Teil ist diese Entwicklung mit einer normalen Bewohnerfluktuation begründet, zum größeren Teil liegen die Gründe für den Auszug jedoch im Sanierungsprozeß. Ob man dabei von Vertreibung sprechen muß, oder ob das Bleiben der Hälfte der Bewohner schon ein Erfolg ist, ist die Frage, ob das Glas halbvoll oder halbleer ist.

Die verbliebenen sogenannten Altmieter profitieren von den Mietobergrenzen, sie zahlen meist Mieten, die unter den Werten des Berliner Mietspiegels liegen. Dagegen sind nach der Sanierung neu eingezogene Mieter oft mit höheren Mieten konfrontiert, da die Mietobergrenze bisher nur unmittelbar im Anschluß an die Modernisierung der Wohnung galt. Durch Scheinmietverträge wurden Neumieter oft über den Tisch gezogen und die Mietobergrenze teils erheblich überschritten. Dies führt zu einem allgemein höheren Mietniveau, das sich auch auf die künftigen Mietspiegelwerte auswirkt.

Mittlerweile ist in Prenzlauer Berg die Gültigkeit der Mietobergrenze auf ein Jahr nach der Modernisierung ausgedehnt worden. Die Betroffenenvertretungen aus den fünf Sanierungsgebieten fordern aber eine noch längere Gültigkeit des Mietlimits, etwa wie in Lichtenbergs Sanierungsgebiet Weitlingstraße, wo die Obergrenze sieben Jahre lang gilt. Nach der Einführung des Vergleichsmietensystems können sich die Mieter schon jetzt ausrechnen, daß ihre Miete in den nächsten drei Jahren um die gesetzlich erlaubten 30 Prozent erhöht wird, auch wenn sich der Wohnstandard überhaupt nicht verbessert hat. Eine einjährige Mietobergrenze kann diese Entwicklung bestenfalls verzögern, aber nicht aufhalten.

js

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