Ausgabe 18 - 1998berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Berlin 1898

24. September bis 7. Oktober

Zum Bau einer Unterpflasterbahn in Berlin äußert sich Baurat Gottheiner, der zum Studium der Budapester Unterpflasterbahn in der Hauptstadt Ungarns weilte. Die Schwierigkeiten des Baus wären hier ungleich größer als in Budapest, hauptsächlich wegen der natürlichen Beschaffenheit des Erdreiches. Denn wärend es dort meist aus festen Tonschichten besteht, haben wir hier das sogenannte schwimmende Gebirge zu überwinden. Außerdem würden wir in Konflikt mit allen Einrichtungen kommen, die wir bereits unter das Pflaster gebettet haben. Die Röhren der Gas- und Wasserleitung, die Kabel und elektrischen Drähte, und vor allem die Kanalisation würden die Arbeiten behindern. In Budapest handele es sich um eine unter einer sehr breiten Straße geführte kleine Strecke von gerade 4 Kilometern.

Über das Helmholtz-Denkmal und einige bedauerliche Fehler daran schreibt der bekannte Universitätslehrer, Professor der Mathematik, Dr. Johannes Knoblauch an den Oberbürgermeister Zelle:

"Offenbar um zur Anschauung zu bringen, daß der berühmte Forscher eine kleine Brochüre ,über die Erhaltung der Kraft´ und einen stattlichen Groß-Oktavband ,Handbuch der physiologischen Optik´ geschrieben hat, ist der Verfertiger des Bildwerks auf den Gedanken gekommen, zwei der Foliobände von ungefähr gleicher Größe, auf die der Dargestellte sich stützt, mit den Titeln ,die Erhaltung der Kraft´ und ,die Physiologie der Optik´ zu versehen. Nun dürfte die Vergrößerung einer Broschüre von 72 Oktavseiten Inhalt zu einem stattlichen Foliobande zwar durch künstlerische Licens entschuldigt werden können, obgleich ich nicht verhehlen darf, daß eine eine Vergrößerung der Attribute einer Figur mir nur im ungefähren Verhältnisse zu der der Figur selbst zulässig erscheint. Dagegen ist der Titel ,die Physiologie der Optik´ in keiner Weise zu rechtfertigen, weil er nicht nur unrichtig, sondern sinnlos ist."
Der Oberbürgermeister, schließt Professor Knoblauch sein Schreiben, möge "unverzüglich veranlassen", dass:
1. die ersterwähnte Aufschrift in "die Lehre von den Ton-Empfindungen" umgeändert werde, als Titel eines Helmholtzschen Werkes, welches von derselben Wichtigkeit und ungefähr von demselben Umfange ist, wie das Handbuch der physiologischen Optik. Die "Erhaltung der Kraft" könne dann mit einer Anzahl anderer Abhandlungen desselben Verfassers vereinigt und in dem dritten Folioband enthalten gedacht werden, der dem Beschauer die offene Seite zukehrt und von dem eine "Schließe" leider bereits abgebrochen sei.
2. und hauptsächlich, dass der Titel "Die Physiologie der Optik" in "Handbuch der physiologischen Optik" korrigiert werde.

Für den Vogelschutz erlässt der Landwirtschafts-Minister eine Verfügung, in der die Benutzung der aus Pferdehaaren gefertigten Schlingen (Dohnen) eingeschränkt werden soll:

"Es ist zur Anzeige gelangt, daß in einzelnen Landestheilen noch lange Zeit nach Beendigung des Krammetsvogelfanges bis in den Winter hinein die mit Beeren versehenen Dohnen aufgestellt bleiben, und daß auf diese Weise einheimische Singvögel, welche nicht zu den Zugvögeln gehören, in großer Zahl gefangen werden. Da ein solches Verhalten auch bei dem Krammetsvogelfang in Staatswaldungen vorkommen soll, so nehme ich hiermit Veranlassung, im Interesse des Vogelschutzes zu bestimmen, daß den Beamten der Staatsforstverwaltung, welchen die Anlegung von Dohnenstrichen in Staatswaldungen gestattet wird, aufzugeben ist, die Dohnen nur während der für den Drosselfang freigegebenen Zeit fängisch zu halten. Nach Ablauf dieser Zeit sind entweder die Dohnen abzunehmen oder die Schlingen an denselben auszuziehen oder ganz zu entfernen. In Jagdpachtverträge, welche den Pächter ausnahmsweise zum Krammetsvogelfang in einer Staatsverwaldung berechtigen, ist fortan eine gleichartige Vorschrift aufzunehmen. Auch ist darin im Mangel anderweiter Bestimmungen anzuordnen, daß der Krammetsvogelfang nicht über den 31. Dezember hinaus ausgedehnt werden darf. Die Beachtung dieser Vorschriften ist zu überwachen."

Eine Statistik der Berliner Bettler des Statistischen Amtes der Stadt Berlin erscheint unter dem Titel "Die Verurtheilungen wegen Bettelei und Obdachlosigkeit beim Amtsgericht I Berlin im Jahre 1897". Insgesamt sind danach 8017 männliche und 164 weibliche Personen bestraft worden. Darunter sind Arbeiter, Kaufleute, Apotheker, Techniker, Schauspieler und Lehrer. Nur ein Sechstel der Bettler stammt aus Berlin, ein Drittel kommt aus der Provinz Bran-denburg, es folgen Schlesien (1157), Posen (643), Pommern (547), Ostpreußen (535), Sachsen (448) und nur 28 Bettler sind in Mecklenburg-Strelitz geboren. 195 Ausländer wurden beim Betteln abgefasst. Von den 164 Frauen haben zwei als Beruf "Schriftstellerin" angegeben.

Wegen Obdachlosigkeit wurden insgesamt 1415 Personen, davon 47 weiblich, verurteilt. Von diesen stammt mit 634 fast die Hälfte aus Brandenburg. Wegen sittenpolizeilicher "Kontraventionen" wurden 11769 Personen verurteilt, fast 800 Verurteilte wurden zur Corrections-Nachhaft der Landespolizeibehörde überwiesen. Im städtischen Arbeitshaus zu Rummelsburg befanden sich in der Zeit vom 1. April 1897 bis 1898 1025 Personen, davon stammten 787 aus Berlin.

Falko Hennig

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