Ausgabe 17 - 1998berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Wackelt da der Tellerturm?

Zähne auseinander! Hm, klappt nicht, was? Na gut, dann wird jetzt hier mal Depression ausgelebt. Schmerz, Kränkung, Einsamkeit. Trifft sich gut, soviel dreckiges Geschirr, wie sich da die letzten Wochen angesammelt hat.

Will nichts von mir. Blöde Kuh, das hätt se sich auch mal eher überlegen können.

Kalt vorspülen, runter mit dem gröbsten Dreck. So, jetzt heißes Wasser ins Becken. Und dann Musik. Maurenbrecher, Bingerbrück.

Spül, spül. Mist, irgendwie zieht Bingerbrück nicht mehr richtig runter. Okay, Hände abtrocknen, nochmal gucken. Reiser, Himmel und Hölle. Damit hat´s immer ganz gut geklappt. Spül, spül.

Würd mir guttun, jetzt ein bißchen flennen. Muß ja nicht gleich so doll sein wie neulich. Nur so´n bißchen. Kopf entgiften. Und dann wieder was andres machen, `ne Geschichte schreiben oder so.

Spül, spül. Herrgott, Reiser, was ist denn das beim ersten Song für´n elend langes Vorspül? Vorspiel. Ist mir nie aufgefallen. Das geht ja voll auf die Nerven. Hände abtrocknen, nochmal gucken. Immerhin hab ich die Gläser jetzt schon gespült.

Na, irgendwie hat die Frau schon auch ´ne ziemliche Scheibe. Bloß gut, daß dieses Rumgeeier ein Ende hat.

Also doch Dylan? Oh Mann, wenn die Platte aus Vinyl wär, würd sie bald auseinanderfallen wie eine riesige Lakritzschnecke. You left me standing in the doorway crying. Ja, genau. It´s not dark yet, but it´s getting there. Ah, wer sagt´s denn. Wenn ich jetzt noch ´n bißchen presse, dann ... - Könnte sein, daß die Augen schon ein bißchen feucht sind. Was´n das jetzt? Tatsächlich. Och, nee! Jetzt muß ich auch noch kacken! Verdammt, das darf doch wohl nicht wahr sein! Dieser Scheiß-Verdauungstrakt zieht alles ins Lächerliche. Dem ist auch keine Regung heilig! Jeder Schmerz, jeder Kummer wird total entwertet durch Bauchweh, durch Furzen, durch Kackenmüssen!

Das würde ihr gefallen. Ich glaub, sie würde sich schlapp lachen.

Wie soll ich denn beim Kacken heulen? Beim Duschen, ja das geht. Duschen, das hat noch ne gewisse Würde, da kann man schon auch mal dabei heulen. Obwohl das ja ´n bißchen wie Eulen nach Athen tragen ist. Seltsame Wendung. Kann sich doch überhaupt niemand mehr was drunter vorstellen. Hunde nach Berlin tragen, ja, das wär anschaulich. Jedenfalls kann man beim Kacken nicht heulen. Leute, die beim Kacken heulen, kann man nicht ernst nehmen.

"And on the highway of regret the winds of change are blowing wild and free." Jungejunge, das ist doch schon hart an der mexikanischen Grenze. Auf der Autobahn des Bedauerns blasen die Winde des Wechsels. Die reinste SPD-Lyrik. Da versammeln sich die aufgebrachten Metaphern, verbittert paradieren sie am fettigen Geschirr vorbei, hinkend, invalide, ein beeindruckender Protestmarsch, drohend schwenken sie ihre Krücken, vorneweg ein paar schiefe Bilder in Rollstühlen. Einige ganz Wagemutige haben sogar Boote gechartert und paddeln durch den Spülmittelschaum. Ein kleines Transparent soll wohl meinen Abwasch behindern, "Robin Metaphor" steht drauf. Nein, was für ein Anblick!

Horst kommt rein.

Hier, willste mal lesen? Ich spül mal eben zuende. Mist, Spülwasser ist kalt. Dann eben nicht. Na, immerhin ist der gröbste Dreck schon weg. Und die Gläser sind richtig sauber. Willste was trinken? Wodka, Whiskey, Korn? Oder was ohne Alkohol? Bier, Wein?

"Was grinst´n so?" fragt er. Was, ich grinse? Ach, du Scheiße.

War´s das jetzt oder wie? Scheint so. Da hinten leuchtet´s. Na gut, Herbstlicht. Aber immerhin.

Bov Bjerk

Hans Duschke dazu: Zähne auseinander, das ist gar nicht schwer. It´s not bright yet, but it´s getting there.

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