Ausgabe 15/16 - 1998berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Immaterielle Umverteilung

Die Kreuzberger "Workstation" - eine Ideenwerkstatt

Das Wiener Kunstprojekt Wochenklausur hat im Frühjahr diesen Jahres versucht, neue Ansätze zur Lösung des

Arbeitslosenproblems in Kreuzberg zu entwickeln. "Kunst und konkrete Intervention" lautete der Untertitel. Durch sogenannte zeitlich begrenzte "Intensiveinsätze" sollten vor allem ausgetretene Gedankenpfade vermieden werden. Auch daß die Kunst sich noch nicht übermäßig an diesem gesellschaftlichen Feld abgearbeitet hat, schien einen "frischen Blick" zu garantieren. Überhaupt: die Kunst! Immer, wenn "neue Wege" und "Bekämpfung der Arbeitslosigkeit" zusammen genannt werden, ist die Aufmerksamkeit besonders hoch.

Beendet wurde die Wochenklausur mit der Gründung des Trägervereins "Workstation Ideenwerkstatt Berlin e.V." und der Ankündigung von "Think Tanks". Den Begriff "Think Tank" hat man inzwischen wieder fallengelassen - zuviel Negativimage aus der Managerwelt der USA. Aber der Trägerverein, dessen Gründung von einigen als das "Unsubversivste und am wenigsten Künstlerische" kritisiert wurde, lebt und ist in der Naunynstraße 27 untergekommen.

Zur Zeit ist eine wenig öffentlichkeitswirksame Phase zu durchlaufen. Die Organisatoren sind hauptsächlich mit vorbereitenden Arbeiten beschäftigt: Neben der banalen Büroeinrichtung läuft die Suche nach Sponsoren auf Hochtouren. Auch sollen bald die zwei Bürocontainer am Spreewaldplatz aufgestellt werden, in denen man sich ebenfalls zur Workstation informieren kann. Aber vor allem hat man ein Konzept erstellt, an wen Workstation sich richtet. Zum einen will man eine Beratungs- und Anlaufstelle sein für alles, was mit Erwerbslosigkeit zu tun hat: Angefangen von Hilfestellung bei Anträgen - über das Abklären von Fragen wie: Was kann ich eigentlich? - bis hin zur Entwicklung von längerfristigen Perspektiven.

Vor allem aber sollen Wege zur selbstbestimmten Existenzsicherung ergründet werden. Damit sich aus persönlichen Ideen und Fähigkeiten etwas entwickeln kann, bietet man ein sogenanntes "Sprungbrett" an: Ein Umfeld, in dem Ideen nicht gleich wieder verworfen werden müssen nach dem Motto "Klappt sowieso nicht", sondern durch gezielte Förderung und Weiterentwicklung langsam Gestalt annehmen können. Im Anschluß daran soll die ausgefeilte Idee vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Man plant eine "immaterielle Umverteilung von Energien, Ideen und Netzwerken" von engagierten Personen an "sprungbereite" Menschen. Eine fünf- bis sechsköpfige Runde von "Arbeitsexperten" aus den unterschiedlichsten Berufen soll sich im Abstand von wenigen Wochen für jeweils einen Klausurtag treffen, um sich intensiv mit einer konkret ausformulierten Idee zu befassen. Ist das Ziel erreicht, löst sich die Runde wieder auf. So wechselt die Besetzung des Entwicklungsforums ständig, und der intensive Geist der Wochenklausur hätte dann auch offiziell in Kreuzberg seine Spuren hinterlassen. Und das mit dem Umverteilen ist sowieso bekannt.

sas

Kontakt über Frauke Hehl, fon 6219167

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