Ausgabe 13 - 1998berliner stadtzeitung
scheinschlag

Diese Ausgabe

Inhaltsverzeichnis


Zur Homepage

"Unter dem Pflaster liegt nicht der Strand"

Planwerkstatt Fischerkiez mit neuen Entwürfen eingeläutet

Im Ende 1996 vorgelegten Planwerk Innenstadt der Senatsverwaltung ist die Fischerinsel einer der strittigsten Punkte. Nach dem ersten Entwurf sollten die Freiflächen um die dortigen sechs Wohnhochhäuser, in denen etwa 3000 Einwohner leben, parzelliert und mit Bürgerhäusern bebaut werden. Die jetzt angeschobene Planwerkstatt, in der der Masterplan im Einvernehmen aller konkretisiert werden soll, baut jedoch auf einem deutlich verändertem Entwurf von Bernd Albers und Dieter Hoffmann-Axthelm auf, dem zusätzlich ein Entwurf der Co-Gutachter Harald Bodenschatz und Marta Doehler entgegengestellt wird.

Es steht 728 : 33 für Cölln

Zur Eröffnung der Planungswerkstatt machte Stadtentwicklungsstaatssekretär Hans Stimmann deutlich, daß für ihn die Reise zurück zum historischen Stadtgrundriß geht. Man solle weniger vom "Fischerkiez" sprechen, sondern vielmehr von Cölln. Dem Alter der jetzigen Bebauung von 33 Jahren stehen die 728 Jahre gegenüber, in denen dort einer der beiden Berliner Gründungskerne stand. Unter dem Pflaster liegt nicht der Strand, sondern der Grundriß einer 700 Jahre alten Stadt", räumte Stimmann mit einer alten Sponti-Legende auf.

"Verzicht" auf Ahornblatt

Entgegen ihren ersten Plänen läßt der jetzige Entwurf von Albers und Hoffmann-Axthelm den Bereich um die Hochhäuser weitgehend frei von zusätzlicher Bebauung. Lediglich am südöstlichen Ende soll dem Märkischen Ufer eine gleichartige Bebauung gegenübergestellt werden. Das historische Straßenraster soll wieder eingerichtet werden, obwohl es kaum eine verkehrliche Bedeutung haben wird. Die Gertraudenstraße soll dagegen deutlich verschmälert und mit einer sehr dichten Appartmenthausbebauung eingefaßt werden. Dazu soll auch die Mühlendammbrücke überbaut und das denkmalgeschützte Ahornblatt abgerissen werden, denn, so Hoffmann-Axthelm, "nur durch den Verzicht auf das Ahornblatt ist die Prägnanz der Fischerinsel und des Straßenzugs Gertraudenstraße wiederherstellbar."

Respekt vor dem Vorhandenen

Das Co-Gutachten der Stadtplaner Harald Bodenschatz und Marta Doehler ist da anderer Meinung. Hier wird das Ahornblatt als bedeutendes Denkmal der DDR-Moderne erhalten und mit einem neuen Anbau zu den Hochhäusern hin orientiert. Ähnlich wie im Albers-/Hoffmann-Axthelm-Entwurf wird auch im Co-Gutachten die Gertraudenstraße zurückgebaut und durch eine beidseitige Bebauung eingerahmt. Beide Entwürfe nutzen auch die alte Gertraudenbrücke, um den Anschluß an den Spittelmarkt zu finden, und sehen den Abriß der neueren Brücke vor. Darüber hinaus planen die Co-Gutachter jedoch weder Abrisse noch eine Nachverdichtung des Hochhausensembles. Dessen offene Struktur soll erhalten und durch eine Qualifizierung der Freiflächen gestärkt werden. Es werden keine neuen alten Straßen gebaut. Das zugrundeliegende Prinzip nennt Harald Bodenschatz "biologischer Städtebau": Respekt vor der vorhandenen Struktur der Moderne, aber keinen Respekt vor der Schnellstraße. Im Gegensatz zum gesamten Planwerk Innenstadt sieht Bodenschatz seinen Entwurf auch nicht als Provokation oder als "Konfrontation um der Konfrontation willen", sondern als Dialogangebot. Mit diesem Entwurf besteht erstmals die Möglichkeit, daß aus dem Diskussionsprozeß um das Planwerk Innenstadt etwas entsteht, das den umstrittenen ursprünglichen Vorgaben des Planwerks nicht folgt.

Beiden Entwürfen widerspricht jedoch das Bürohochhaus, mit dem die ehemalige Baustadträtin Karin Baumert das Planwerk bekämpfen wollte. Dieses Hochhaus ist neben dem Ahornblatt projektiert und hat einen Bauvorbescheid, eine Vorstufe zur Baugenehmigung. Mittes neuer Baustadtrat Thomas Flierl möchte mit der Aufstellung eines Bebauungsplans den Bau des neuen Hochhauses noch verhindern. Doch wenn der Bauvorbescheid dadurch nicht mehr revidiert werden kann, müsse eine Lösung zur Integration des ungeliebten Büroturms gefunden werden.

js

© scheinschlag 2000
Inhalt dieser Ausgabe | Home | Aktuelle Ausgabe | Archiv | Sitemap | E-Mail

  Ausgabe 13 - 1998