Ausgabe 13 - 1998berliner stadtzeitung
scheinschlag

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Special: Drogen

Drogen gehören zum Leben, ob man will oder nicht. In unserem Special beschäftigt sich die Autoren Falko Hennig, Stefan Strehler und Harald Wernicke mit LSD, Cannabis und Methadon. Auch die verheerenden Wirkungen von Schokolade auf die Psyche des Menschen kommen zur Sprache.

LSD im Selbstversuch

Der Drogenforscher

Steini hatte mir eine kleine Dose gegeben, und da drin war die Droge, und ich sollte sie im Kühlschrank aufbewahren, am besten im Tiefkühlfach. Dort blieb die Dose zwei oder drei Wochen, dann nahm ich sie raus, machte sie auf: Ein kleines quadratisches Papier war darin mit einem arabisch wirkenden Zeichen. Ich legte es auf die Zunge und schluckte es dann runter.

Als erstes wurden die Geräusche etwas anders. Ein kleines Geräusch war viel lauter, als es hätte sein dürfen. Dann war das Gefühl des Zerfließens, ich beschrieb es Felicitas und sie kannte auch etwas, das sie als Zerfließen bezeichnet hätte. Dann war da eine Art Strudel. Der saugte alles in sich rein, wie ein Staubsauger einen Teppich. Irgendwie war alles ziemlich zäh und löste sich auf, wurde in diesen Strudel gesogen. Ich verfolgte diesen Gedanken aber nicht weiter.

Als nächstes waren alles nur noch Strudel. Riesige, böse, dunkle Strudel, die es auf meine Biervorräte abgesehen hatten. Das war ziemlich absurd, weil ich nur ein paar Flaschen hatte. Steinis Freundin fand, daß ich nicht immer so mißtrauisch sein brauchte.

Jedenfalls ging ich hoch Silke holen. Das war schon eine abenteuerliche kleine Reise. Ich ging hoch, sagte ihr, daß sie kommen solle und ging wieder runter und hörte hinter einer Tür Musik. Die war echt, aber ich wollte auf Nummer Sicher gehen und klopfte, aber es dauerte ewig, bis jemand aufmachte. Das war dann komischerweise Steini, der mir das Zeug besorgt hatte, und ich bekam eine Ahnung, daß alles von langer Hand eingefädelt und eine abgekartete Sache gewesen war.

Ich ging wieder runter. Unten saß Steinis Freundin und fragte, ob wir alle "druff" wären. Ich kritisierte sie sehr wegen ihrer Wortwahl. Druff, druff, wie klingt denn das. Diesen Gedanken verfolgte ich weiter und sagte Silke, die dann irgendwann gekommen sein mußte, nach Stunden oder Ewigkeiten, daß wir uns zusammenreißen sollten, und uns eine menschlich würdige Form geben. Ich versuchte ihr das zu erklären, weiß aber nicht, ob ich das geschafft hab. Es war dieses Zerfließen, diese wabernden Nebel überall, das ganze zog Fäden und war kein würdiger Anblick. Und diesen würdigen Anblick sollten wir schon bieten, wir sollten uns schon zusammenreißen.

Sie machten das Fenster auf und ich sagte ihnen, sie sollten es zu lassen. Aber sie ließen es auf, und von rechts begann ich vor Kälte zu kristallisieren. Mein halbes Bein und meine Finger waren schon kristallisiert, bis sie es endlich merkten und das verdammte Fenster wieder zumachten.

Letztlich, sagt Steini, hätte ich nichts trinken sollen. Dadurch war nichts klar. Wenn man richtig klar was sehen will, darf man nichts trinken. Wabernde Nebel, klebrig miteinander verbundene Wolken. Die Farben veränderten sich, Bewegungen von Fischschwänzen an der Decke. Die Blumen auf einem Bild blinkten wie elektrisch beleuchtet. Punkte an der Decke waren nicht klar zu fixieren. Sie wurden dann ganz viele und flimmerten so hin und her, wie ein Kameratrick. Im Bad lag nasse Wäsche in der Wanne, aber es war langweilige Wäsche. Ich guckte sie nur kurz an, sah wie sich ein Gesicht daraus bildete, aber es war nicht interessant. Interessanter war da schon die Tapete. Eine Struktur bildete sich, eine Art Mann, der aus der Tapete rauswollte. Aber nur wenn man in den Spiegel guckte.

Musik kam aus dem Nebenzimmer, und ich sagte Steini, daß wir sie überraschen sollten, um sie fertigzumachen. "Du nimmst die Streicher und ich nehm« die Bläser." sagte ich ihm, und er kam auch mit. Aber die Musik hörte in dem Moment auf, und so konnten wir sie nicht fertigmachen. Aber wir wollten dann doch sagen, daß wir sie fertiggemacht hätten. Wir sagten, daß es mit der Strategie geklappt hatte, nämlich daß wir uns vorher abgesprochen hatten, wer die Bläser und wer die Streicher nimmt. So hatten wir den Überraschungseffekt. Ich sagte Nadira, daß sie nur Teil eines riesigen Strudels wäre, der es auf meine Biervorräte abgesehen hat.

Ab und zu sagten sie mir, daß ich an etwas Wichtiges denken sollte, und nicht immer an meine Biervorräte. Im Bad trampelte Felicitas auf der Wäsche in der Wanne herum und ich sah ziemlich klar, daß Dämonen sie nur benutzten. Ich versuchte an etwas Wichtiges zu denken, fand aber nichts. Alles suppige Inseln in wabernden, zähen Nebeln.

Was bleibt: hauptsächlich das Gefühl, daß hinter der sichtbaren Fassade die Welt von irgendetwas, wie kleinen schwarzen Zwergen, die an Zahnrädern drehen, angetrieben wird. Das ist, meiner Meinung nach, eine ziemlich aberwitzige Hypothese und Steini meint, das wäre nur wegen dem Bier. Wenn ich klarere Visionen haben wollte, oder so, dürfte ich nichts trinken. Ich weiß aber nicht genau, warum man das genauer wissen sollen wollte. Ich meine, ich glaub nicht, daß an dieser Zwergenhypothese irgendwas dran ist. Kleine schwarze Zwerge, die an Zahnrädern drehen. Eigentlich nicht Zahnräder sondern mehr eine Art Schwungräder. Warum sollte mich Genaueres an dieser aberwitzigen Hypothese interessieren? Muß man nicht froh sein, daß man sowas nicht denkt? Ich weiß es nicht, ich muß mich noch öfter mit dem Drogenforscher unterhalten.

Falko Hennig

Das beschriebene Experiment fand circa Anfang 1996 in Berlin statt.

Süchtigungsmittel drin:
Schokoladensucht

Ein Gespräch mit Stefan U., 31 Jahre

Wieviel Schokolade hast Du heute schon gegessen?
Zwei Tafeln.

Um welche Uhrzeit ißt Du normalerweise die erste Tafel?
Wenn welche da ist, esse ich die erste morgens um neun zum Kaffeetrinken und dann abends noch eine.

Sind zwei Tafeln deine durchschnittliche Tagesmenge?
Ja, also eine esse ich mindestens.

Hast Du Entzugserscheinungen?
Wenn ich wirklich keine Schokolade im Haus habe und auch nichts anderes Süßes, dann ist es schwierig für mich. Dann renne ich jede halbe Stunde in die Küche und gucke, ob nicht doch noch was zu finden ist.

Was machst Du in echten Notfällen?
Wenn es ganz schlimm ist, dann gucke ich auch mal heimlich bei meiner Tochter nach, ob die noch was hat. Ich habe ihr auch schon Tafeln abgekauft.

Bist Du schon mal beim Arzt gewesen?
Da ich ja immer die Möglichkeit habe, meine Sucht zu befriedigen, ist es nicht so ein großes Problem für mich. Man kann ja überall Schokolade kaufen.

Ausgeprägtes Suchtverhalten soll persönlichkeitszerstörende Folgen haben. Machst Du dir keine Sorgen?
Ich glaube, daß das Schokolade essen gesellschaftlich so akzeptiert ist, daß die Umwelt das gar nicht als Sucht wahrnimmt. Man merkt das ja auch selber nicht. Erst wenn man dann, z.B. auf Arbeit, einfach eine Tafel ißt, die da so herumliegt, ohne zu fragen, wem die gehört. Dann kommen die Kollegen und fragen, mehr im Scherz: Sag mal, was ist los. Bist du schokoladensüchtig? Dann kriegt man das selber erst mal mit.

Wie lange geht das schon bei Dir?
Das hat in meiner Kindheit angefangen, ich glaube mit den Westpaketen. Meine Mutter hat immer die Tafeln im Kleiderschrank versteckt. Also, sie dachte, daß sie versteckt sind, aber ich wußte na- türlich genau Bescheid und habe dann die eine oder andere geklaut. Wenn relativ wenig Tafeln da waren, habe ich mich über Yogurette oder Kinderschokolade gefreut, weil da waren ja Riegel drin, die man einzeln entnehmen konnte, ohne daß jemand es gemerkt hat.

War die Westschokolade angesagter als die Ostschokolade?
Im Osten, das war ja keine Schokolade.

Gibt es eine Sorte, die dich besonders süchtig macht?
Es gibt Sorten, die ich auf alle Fälle meide. Die Discountersorten und Billigschokoladen kann man alle vergessen. Ab einer Mark pro Tafel geht´s dann los. Milka und Ritter-Sport sind ja überall verfügbar. Wenn man sich was besonders gutes tun will, dann kann man eine Lind für knapp 3 Mark die Tafel nehmen.

Hast Du schon mal versucht, davon loszukommen?
Ja, ich war mal zwei, drei Monate clean, aber dann gab es einen massiven Rückfall. Von einem Tag auf den anderen waren alle guten Vorsätze vergessen. Meine Tochter hat die These aufgestellt, daß in Süßigkeiten ein sogenanntes Süchtigungsmittel drin ist.

Gibt es vergleichbar dem Heroinsubstitut Methadon eine Ersatzdroge?
Im Sommer esse ich durchschnittlich nur eine Tafel pro Tag und esse dafür mindestens zwei Eis. Das geht ganz gut. Im Winter geht das leider nicht. Interview: Stefan Strehler

Angst vor dem Heilkraut?

Die Selbsthilfegruppe "Cannabis als Medizin"

Im Frühjahr 1995 sah Alexander Remmele im Fernsehen ein Interview mit Dr. Robert Gorter vom Institut für immunologische und onkologische Forschung im Krankenhaus Moabit. Der erzählte, daß einige seiner Patienten Cannabis (= Marihuana = Hanf = Gras = Rohstoff für Haschisch) therapeutisch einsetzen würden. Die Wirkung von Cannabis sei krampflösend, schmerzhemmend und appetitanregend und damit unter anderem für Aids- und Krebspatienten geeignet. Für Remmele war dieses Interview die Bestätigung seiner Selbstversuche mit Cannabis. Der damals 28-jährige brachte als Kiffer und Medizinstudent gute Voraussetzungen mit, um die therapeutische Wirkungsweise von Cannabis zu erforschen, als er selbst an Lymphknotenkrebs erkrankte. Ein im 2001-Verlag erschienenes Buch ("Marihuana - Die verbotene Medizin"), hatte ihn darauf aufmerksam gemacht, daß Kiffen auch über den Rausch hinaus therapeutische Wirkungen haben kann. Gegen die eigenen Zweifel (sind die medizinischen Gründe nicht nur Rechtfertigung für Berauschtsein?) erfuhr er bald, daß ausschweifende Räusche das letzte sind, was man als Schwerkranker gebrauchen kann, daß aber die Einnahme von Cannabis in vorsichtigen Dosen zu wirksamer Schmerzlinderung und Lebensverbesserung führte. Er nahm Kontakt mir Dr. Gorter auf, der ihn mit anderen, kranken Cannabiskonsumenten zusammenbrachte. Sie hatten ein gemeinsames Problem: Obwohl die therapeutische Wirksamkeit von Cannabis in unzähligen, internationalen Studien längst nachgewiesen ist, ist die Beschaffung nur auf illegale Weise möglich. Im November 1995 gründeten sie zu viert die Selbsthilfegruppe Cannabis als Medizin, um neben dem persönlichen Informationsaustausch vor allem Öffentlichkeit für ihr Anliegen zu gewinnen. Sie forderten die sofortige Freigabe von Cannabis für eine medizinische Behandlung.

20 Kapseln für 500 DM

Juni 1998. Obwohl sich einiges bewegt hat, ist die Situation für Kranke fast unverändert. Seit Februar diesen Jahres darf ein synthetisch hergestelltes THC-Präparat (Dronabinol) verschrieben werden. Die Beschaffungsprozedur ist nur höchst mühsam über eine Auslandsapotheke möglich und eine Angelegenheit von mehreren Wochen. Eine Packung mit 20 Kapseln kostet etwa 500 DM und entspricht mengenmäßig ungefähr dem, was man für 50 DM im illegalen Straßenhandel erhält. Die Mitglieder der Selbsthilfegruppe haben aus diesen Gründen noch keinen Gebrauch dieser Möglichkeit machen können, erzählt Uli Scheibling, die versucht, die Fußstapfen des 1997 verstorbenen Alexander Remmele (der im Juli 1997 noch eine Gerichtsverhandlung wegen illegaler Drogenbeschaffung gehabt hätte, wäre er nicht einen Monat vorher gestorben) auszufüllen. Die ungefähr 20 festen Teilnehmer der Selbsthilfegruppe sind gesundheitlich oft so angeschlagen, daß die Aufrechterhaltung der Informations- und Öffentlichkeitsarbeit keine selbstverständliche Sache ist. Immer wieder stoßen Kranke auf die Gruppe, die noch nie in ihrem Leben etwas mit Cannabis zu tun hatten, die konkrete Informationen suchen, ob der Einsatz bei ihrer Krankheit sinnvoll ist und wie die Medizin beschafft und angewandt werden kann. Für Uli Scheibling ist das synthetische THC nicht nur wegen der unverschämten Kosten eine schlechte Alternative. Die Einnahme vieler pharmazeutischer Produkte ist für die Kranken oft genug eine körperliche Belastung, die Nebenwirkungen und Abhängigkeiten produziert. Das natürliche Cannabis verursacht erwiesenermaßen keine Nebenwirkungen und könnte zudem problemlos und kostengünstig in der eigenen Wohnung hergestellt werden. Die therapeutischen Wirkungen von Cannabis sind auf die Cannabinoide zurückzuführen, deren bekanntester und wichtigster psychoaktive Wirkstoff Delta-9-THC ist. Die Dosierung für medizinische Zwecke liegt in der Regel unter dem Niveau, das berauschende Effekte erzielt. Besonders gegen die Appetitlosigkeit und Auszehrung bei AIDS und Krebs, sowie für die Hemmung von Übelkeit und Brechreiz bei Chemotherapie und Strahlentherapie ist Cannabis ein wichtiges therapeutisches Mittel. Außerdem kann es bei Querschnittslähmung, Multiple Sklerose, Migräne, Hepatitis, Tumorschmerzen, Menstruationsbeschwerden, Glaukom (grüner Star), Asthma, Epilepsie und Depressionen eingesetzt werden. Die Dosierung und die Häufigkeit der Anwendung ist bei jedem Krankheitsbild unterschiedlich. Daß man hier nur über wenig verallgemeinerbare Erfahrung verfügt, liegt auch an der nach wie vor sehr schwierigen Forschungssituation.

Der Verein

Dr. Gorter bemüht sich seit mehreren Jahren um die Bewilligung eines größeren Forschungsprojektes, dem aber immer wieder Steine in den Weg gelegt werden. Um auch diese Situation zu verbessern, hat sich neben der Berliner Selbsthilfegruppe ein Verein unter demselben Namen gegründet. In diesem Verein haben sich vor allem Ärzte, aber auch Apotheker, Patienten, Juristen und andere Interessierte organisiert. Dessen Vorsitzender Dr. Franjo Grotenhermen will die Diskussion um die medizinische Freigabe von Cannabis nicht unbedingt mit der allgemeinen Freigabe verknüpfen. Obwohl, wie er sagt, die psychische Abhängigkeit von Cannabis nicht größer sei, als bei Kaffee oder Schokolade. Für Uli Scheibling ist es grundsätzlich unverständlich, wie man den nachweislich viel gefährlicheren Alkohol tolerieren und das seit Jahrhunderten erfolgreich angewandte Heilkraut Cannabis verbieten kann. Tatsächlich bleibt das nicht für sie ein ungelöstes Rätsel.

Stefan Strehler

Kontakt zur Selbsthilfegruppe: fon 891 60 85 oder persönlich bei Sekis, Albrecht-Achilles-Str. 65, Raum 2011, immer montags, 10 bis 14 Uhr. Für weitere Informationen im Internet siehe Linkliste weiter unten.

Das Methadonloch

In Berlin werden nach Angaben der Ärztekammer 1500 Menschen mit Methadon substituiert. Methadon ist ein 1941 im Auftrage der Wehrmacht entwickeltes schmerzstillendes, aber anders als Heroin, nicht euphorisierendes Opiat. Der Nutzen, den man sich von einer Substitution, also den Ersatz des Heroins durch Methadon verspricht, ist der einer gesundheitlichen Stabilisierung und sozialen Integration. Zu diesem Zweck wird die Substitution unter ärztlicher Kontrolle durchgeführt, die z.B. auch Urintests zur Feststellung eines Beikonsums illegaler Drogen umfaßt. Im allgemeinen wird der Arzt auch auf einer psychosozialen Begleitung durch einen Sozialpädagogen bestehen, der sich u.a. um das Ziel der sozialen Integration kümmern soll. Eine besondere Schwierigkeit dabei ist das Problem des "Methadonlochs": War vorher der Tag ausgefüllt durch Stoff- und Geldbeschaffung, so fällt dies nun schlagartig weg. Ein Schluck beim Arzt, bezahlt von der Krankenkasse, das war´s. Was tun mit der Zeit, besonders wenn man auch seine Bekannten auf der Szene nicht mehr treffen soll? Das Nachholen eines Schulabschlusses, ein Job, eine Umschulung wäre ein Schritt zum Neuanfang. Aber leider ist das nicht so einfach.

Der Anti-Drogen-Verein (ADV) beispielsweise, der seit mehr als zwei Jahren Substituierte in Wohngemeinschaften betreut, hat von insgesamt 40 Personen bisher nur einen einzigen auf einer regulären Arbeitsstelle unterbringen können, wie Sozialarbeiter Detlef Schmutzler beklagt. Die meisten Klienten bringe man in kurzzeitigen Maßnahmen der "gemeinnützigen zusätzlichen Arbeit", den "3 Mark-Jobs" des Sozialamtes unter.

An Programmen der beruflichen Integration von Substituierten mangelt es noch: Die Eingliederungshilfe e.V. in Kreuzberg, die in eigenen Betrieben 170 Langzeitarbeitslosen, vorwiegend ehemaligen Suchtmittelabhängigen Arbeit und Ausbildung bietet, macht die Drogenfreiheit per Arbeitsvertrag zur Bedingung. Verstöße dagegen führen zu Abmahnung und Kündigung. Bei Substituierten sei der häufig vorkommende Beikonsum von Drogen ein Problem, so Projektleiterin Elfi Leidereiter, auch seien diese Leute nicht so belastbar und das "rechnet sich nicht". Ohne besondere öffentliche Förderung sei das nicht machbar.

"BBJ-Service" ist ein weiteres Projekt, das berufliche Eingliederungshilfen bietet: langzeitarbeitslose Jugendliche und junge Erwachsene werden auf Stellen mit Lohnkostenzuschuß vermittelt. Man würde es durchaus versuchen, auch Methadonsubstituierte zu vermitteln, die Frage sei aber, ob sie den Belastungen am Arbeitsplatz standhalten. Vereinzelt habe man schon Substituierte vermittelt, das sei aber "nicht lange gutgegangen", so BBJ-Mitarbeiterin Susanne Kretschmer. Gute Erfahrungen habe sie dagegen mit Leuten gemacht, die aus einer Therapie bei Synanon kämen.

Die "Jobbörse" Prenzlauer Berg, die, wie die Jobbörsen in anderen Bezirken auch, 18-27jährige in Kurzzeitjobs (z.B. Umzugshilfen für einige Stunden, seltener auch in mehrmonatige Jobs) vermittelt, würde dies auch für Methadonsubstituierte tun. Michael Winter von der Jobbörse vermutet bei Substituierten ein "geringes Durchhaltevermögen", obwohl dies nicht für jeden gelten müsse. Leute, die sich als unzuverlässig erwiesen, würden jedoch grundsätzlich für einige Zeit von der Vermittlung ausgeschlossen.

Als offenbar einzige Institution wendet sich "BOA e.V." in Tiergarten gezielt an Substituierte. Seit Ende 1996 bietet man für substituierte Frauen Berufsberatung und Computerkurse an, die auf die Volkshochschulprüfung "EDV-Anwenderpaß Büro/Verwaltung" vorbereiten. Solche Computerkurse wird "BOA" ab Herbst auch für Männer anbieten. Um Beigebrauch von Drogen werde man sich nicht kümmern, "Hauptsache die Leute sind arbeitsfähig", erläutert Andrea Wilke die pragmatische Linie von "BOA".

Harald Wernicke
BOA e.V., fon 3927020

Links zum Special "Drogen" finden Sie hier.

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