Ausgabe 06 - 1998berliner stadtzeitung
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Ein "Wirtschaftsverbrecher" als PDS-Direktkandidat?

Elmar Schmähling, Geheimdienstchef a.D., steht mit einem Bein im Gefängnis

An der Basis der PDS in Prenzlauer Berg und Mitte ist die Stimmung gedrückt. Der Kandidat, den der Bundesvorstand der PDS nach langem Hin und Her der Öffentlichkeit als Direktkandidat für Mitte und Prenzlauer Berg präsentierte, entspricht nicht gerade deren Wunschvorstellung. Eine Frau sollte es eigentlich sein, und "PDS" sollte erkennbar werden. Ein Flottillenadmiral a.D. der Bundesmarine aus Köln, der unter Helmut Schmidt Chef des Militärischen Abschirmdienstes war, entspricht diesem Bild nun nicht gerade. Zwar hat Elmar Schmähling als Kritiker der Nato-Verteidigungsdoktrin unbestreitbar die Friedensbewegung in der BRD stark unterstützt und damit einen Teil zur gewaltfreien Lösung des Ost-West-Konfliktes beigetragen - aber ausgerechnet ein ehemaliger Geheimdienstchef als Bundestagsabgeordneter einer Partei, die ansonsten peinlich darauf achtet, keine ehemaligen Geheimdienstler in solche Positionen zu befördern? Welche Dokumente hat Schmähling damals unterschrieben, welche Studien in Auftrag gegeben, welche Operationen geplant? Die moralische Meßlatte für ehemalige Stasi-Mitarbeiter hängt hoch, für westdeutsche Geheimdienstler sollte sie genauso gelten, so argumentieren die Kritiker in der PDS.

Ein Mediengewitter wird über die PDS und Elmar Schmähling wegen dieser Frage jedoch nicht hereinbrechen. Das droht aus einer ganz anderen Ecke: Gegen Schmähling ist zur Zeit ein Haftbefehl erlassen, aber unter Auflagen ausgesetzt. Ermittelt wird wegen "Betrug und Bankrott" - es geht um rund zwei Millionen DM Schulden, die Schmähling nach einem Ausflug in das freie Unternehmertum hinterlassen haben soll.

Im Mai 1994 gründet der frühpensionierte Admiral zusammen mit einem Partner die GeoNet GmbH, die auf den Datenautobahnen der Zukunft Geld erwirtschaften sollte. Schmähling ist alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer. Anfangs erhält die Gesellschaft auch Kreditzusagen von deutschen und internationalen Finanzierungsgesellschaften. Die Banken halten sich mit Kreditvergaben zurück, da die GeoNet nicht genügend Sicherheiten nachweisen kann. Im November 1994 platzt ein Kreditvertrag über 1,3 Millionen Dollar mit einer belgischen Finanzierungsgesellschaft, ab Januar 1995 kann die Miete für das Büro in Köln nicht mehr gezahlt werden, im Februar 1995 rät der Rechtsanwalt der Firma wegen Zahlungsunfähigkeit zum Konkursantrag.

Spätestens jetzt hätte Schmähling den Gang zum Konkursverwalter antreten müssen - wer damit länger als drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wartet, macht sich strafbar.

Schmähling macht aber munter weiter und gründet im August 1995 sogar noch eine zweite Firma: die TERRAOnline, die mit einem Finanzierungsbedarf von 4 Millionen DM ein Computer-Netzwerk aufbauen will. Schon da kann Schmähling seine Mitarbeiter aber nicht mehr bezahlen - im Oktober 1995 beantragt eine Mitarbeiterin nach dreimonatigem Gehaltsausfall den Konkurs für GeoNet. Die Konkursverwalterin kommt zu dem Schluß, daß nennenswerte Einnahmen zu keinem Zeitpunkt erzielt worden sind, die Schulden der Firma sollen nach Aussage eines Gläubigers rund 1,2 Millionen DM betragen. Im Dezember 1995 wird die Pension des Admirals - rund 10000 DM im Monat - gepfändet. Im Februar 1996 stellen Gläubiger auch einen Konkursantrag für die TERRAOnline, der Schuldenstand soll diesmal rund 750000 DM betragen.

Seit Mai 1996 ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Verdachts auf Betrug nach einer Anzeige eines Gläubigers. Da sich Schmähling im Sommer 96 häufig in Belgien aufhielt, wo er mit neuen Partnern eine neue Firma gründen wollte, erkennt die Staatsanwaltschaft im November auf Fluchtgefahr und erläßt einen Haftbefehl. Schmähling kommt in Untersuchungshaft und wird im Januar 1997 unter Auflagen und gegen eine Kaution von 50000 DM freigelassen. Ein Termin für die Hauptverhandlung ist noch nicht festgesetzt. Kandidiert Schmähling jedoch tatsächlich für die PDS gegen Wolfgang Thierse im Wahlkreis Prenzlauer Berg/Mitte, so dürfte es für den stellvertretenden SPD-Vorsitzenden und sein Wahlkampfteam ein Leichtes sein, dafür zu sorgen, daß der Prozeß kurz vor der Wahl anfängt.

Diese Informationen über Schmähling stammen aus keiner geheimen Quelle - alles läßt sich durch einfache Recherche im Internet erfahren, zudem zeigen sich Gläubiger am Telefon sehr aussagewillig. Offensichtlich hat sich die Parteizentrale der PDS im Karl-Liebknecht-Haus diese Mühe nicht gemacht - oder man erkennt die Gefahr nicht, die droht, wenn mitten in der heißesten Phase des Wahlkampfes der Direktkandidat für den prominentesten Wahlkreis als "Wirtschaftsverbrecher" durch die Medien geistert.

Noch ist Elmar Schmähling allerdings nicht aufgestellt. Das letzte Wort hat die Basis, und die entscheidet am 28. März.

cs

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