Ausgabe 05 - 1998berliner stadtzeitung
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"Wann ziehen Sie aus?"

Neue Fälle von Mieterverdrängung in Mitte und Prenzlauer Berg

Die Mieter von acht Wohnhäusern in Mitte und Prenzlauer Berg sollen ganz offensichtlich aus ihren Wohnungen verdrängt werden. Die Gesellschaft GeGeGe hatte im Sommer 1997 sechs Häuser von der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) und zwei Häuser von der Wohnungsbaugesellschaft in Prenzlauer Berg (WIP) gekauft, die alle in den Bereichen Zionskirch-/Arkonaplatz und Tieck-/Schlegelstraße liegen. Die GeGeGe betreibt nun deren Umwandlung in Eigentumswohnungen. Die Mieter erhielten prompt Modernisierungsankündigungen, die drastische Mieterhöhungen versprachen. Die angekündigte Modernisierungsumlage von teilweise über 10 DM/qm würde in vielen Fällen die Nettokaltmiete verdreifachen.

Die verschickten Ankündigungen waren allerdings formal und inhaltlich klar rechtswidrig. Die beabsichtigten Modernisierungsmaßnahmen wurden nur sehr allgemein genannt und nicht für die einzelnen Wohnungen aufgeschlüsselt. Die Mieter wurden von der GeGeGe gebeten, eine Einverständniserklärung zu unterschreiben. Rechtlich sind die Mieter gar nicht dazu verpflichtet, Modernisierungsmaßnahmen zuzustimmen. Ist die Unterschrift aber einmal geleistet, gilt die Zustimmung, egal wie rechtswidrig die Maßnahmen sein mögen. Daher wäre eine solche Unterschrift für den Eigentümer Gold wert. Die GeGeGe ist allerdings bis heute nicht ins Grundbuch eingetragen und kann somit gar nicht als Eigentümer auftreten. Offiziell befinden sich die Häuser immer noch im Eigentum der WBM bzw. WIP.

Zusätzlich verunsichert wurden die Mieter durch einen Fragebogen von der GeGeGe, auf dem angekreuzt werden sollte, wie lange man noch in der Wohnung zu bleiben gedenke und wann man ausziehen wolle. Darüber hinaus sollten die Bewohner auf ihr Vorkaufsrecht beim Verkauf ihrer Wohnung als Eigentumswohnung verzichten. Mietverhältnisse bleiben auch nach einer Umwandlung in eine Eigentumswohnung unangetastet. Deshalb sollte man sich dadurch nicht verunsichern lassen. Die Strategie der GeGeGe ist leicht zu durchschauen: Nachdem die Mieter aus dem Haus gedrängt wurden, werden die Wohnungen teuer modernisiert, in Eigentumswohnungen umgewandelt und als Anlage- und Abschreibungsobjekte verkauft. Mit Blick auf das nahe Regierungsviertel wird dabei auf erhebliche Gewinne spekuliert.

Weil die Häuser alle nicht zufällig außerhalb der Sanierungsgebiete liegen, kann das Bezirksamt Mitte nicht direkt eingreifen. Daher ist es besonders wichtig, daß sich die Mieter nicht ins Bockshorn jagen lassen und sich der Verdrängung widersetzen. Der Name der neuen Eigentümergesellschaft wird mittlerweile als Aufforderung an die Bewohner gedeutet: "Geh, geh, geh!"

js

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  Ausgabe 05 - 1998