Ausgabe 02 - 1998berliner stadtzeitung
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Mietspiegel - Anfang einer Mietenspirale

Betroffenenvertretungen in Prenzlauer Berg protestieren gegen Mieterhöhungen und fordern "Mietsteigerungsmoratorium"

"Wer sich nicht wehrt, den bestraft der Vermieter", variieren die Betroffenenvertretungen (BV) Prenzlauer Berg Gorbatschows Ausspruch. Es geht um die Einführung der "ortsüblichen Vergleichsmiete" im Ostteil der Stadt. Als besonders ungerechtfertigt kritisieren die Betroffenenvertretungen die nun möglichen Erhöhungen bei Häusern, die den schlechtesten Bauzustand und Ausstattungsstandard aufweisen - hier räumt der Mietspiegel beträchtliche Spannen ein. Die BVs rechnen vor, daß für eine 86 qm-Altbauwohnung mit Innen-WC, ohne Bad und Zentralheizung die Miete von bisher 4,32 DM/qm nettokalt nach Mietspiegel auf 5,08 DM/qm erhöht werden kann - also um 17,6%. Bzw. für eine 40qm-Wohnung mit Außen-WC, ohne Bad und Zentralheizung um 20% - von bisher 3,60 DM/qm auf 4,32 DM/qm.

Die zweite besonders gefährdete Bestandsgruppe, so die Betroffenenvertretungen, seien die bereits sanierten Wohnungen innerhalb der Sanierungsgebiete, in denen die vom Bezirk festgelegten Mietobergrenzen gelten. Spätestens ein Jahr nach Modernisierung sind hier Mietsteigerungen entsprechend dem "Miethöhegesetz" möglich. Da die Mietspiegelwerte für solche Vollstandardwohnungen deutlich über den Mietobergrenzen liegen, seien hier Steigerungen von 30%, bezogen auf die Miete von vor drei Jahren möglich. Z.B. für eine 93 qm-Wohnung, inzwischen mit Innen-WC, Bad und Zentralheizung, bisherige Miete nach Mietobergrenze 6,30 DM/qm netto kalt, mögliche Miete ab 1.1.98 8,23 DM/qm. Macht 30% Erhöhung.

"Die neuen Mieterhöhungen sind ungerecht", heißt es im Schreiben der BVs. "Während wir immer noch Ost-Einkommen beziehen, sollen wir eine Miete zahlen, die über der Westberliner Miete für Wohnungen gleichen Standards liegt." Dreimal sei in den letzten Jahren die Miete erhöht worden, immer mit dem Verweis auf den Sanierungsbedarf der Häuser - doch selbst Reparaturen mit einem "lächerlich geringen Kostenaufwand" seien unterlassen worden. "Wozu da noch Mieterhöhungen?"

Sie fordern eine sozial verträgliche Sanierung. Dies sei aber nicht mehr gewährleistet, wenn Eigentümer sogar ohne Sanierung mehr verlangen dürfen als die im Bezirk festgelegten Mietobergrenzen. Die neuen Mieten verdrängen die Anwohner, wird in der Erklärung festgestellt. "Viele unserer Nachbarn haben in den letzten Jahren den Bezirk verlassen, weil sie nicht länger bereit waren, für wenig Wohnwert viel Miete zu zahlen. Mit den neuen Mieterhöhungen werden es noch mehr werden." Auch Leute mit niedrigen Einkommen oder Familien mit Kindern sollen im Bezirk bleiben können: "Wir wollen kei-nen Bezirk, in dem sich nur noch die Schickeria wohl fühlt."

Die Betroffenenvertretungen verweisen auch darauf, daß dieser erste Mietspiegel tatsächlich erst ein Anfang ist. Denn wenn Eigentümer ihn richtig ausloten (siehe unten), ist unschwer auszurechnen, wie die "ortsüblichen Vergleichsmieten" des nächsten Mietspiegels aussehen werden: die jetzigen Maximalwerte, die von den unterschiedlichsten Seiten gerade im unsanierten Altbaubestand als ungewöhnlich hoch eingeschätzt werden, könnten in drei Jahren die unteren Grenzen des neuen Mietspiegels darstellen.

Deshalb werden die Vermieter aufgefordert, auf die Mieterhöhungsmöglichkeiten zu verzichten und ein "Mietsteigerungsmoratorium" zu unterzeichnen, in dem sie sich verpflichten sollen, "bis auf weiteres jede Mietsteigerung in Wohnungen zu unterlassen, deren Wohnwert in den letzten vier Jahren nicht gestiegen ist." Bei allen anderen Wohnungen im Sanierungsgebiet solle man sich an die Mietobergrenzen halten. Als ersten Schritt wollen die Betroffenenvertretungen mit der städtischen Wohnungsbaugesellschaft WIP verhandeln - sie ist der größte Vermieter im Bezirk und solle als komunales Unternehmen den ersten Schritt machen, "um ungerechte Mietsteigerungen zu stoppen".

Verwiesen wird außerdem auf die Regelung, wonach Mieter nach dem Erhöhungsbescheid zwei Monate Zeit haben, um die Erhöhung zu verweigern und weiter zu reagieren.

us

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